„1968 und 1969 habe ich selbst getrommelt. Ich bin ja in der Marktstraße 57 in Ravensburg geboren und darf mich ‚Turmseckel‘ nennen. Das sind die, die aus unserem Viertel zu Füßen des Mehlsacks stammen. Wenn da zum Rutenfest runtergeschossen wurde, sind die Korken aus der Kanone bei uns in der Dachrinne gelandet. 1969 wurde ich gefragt, ob ich nicht die Truppe übernehmen möchte. Also übernahm ich ab 1970 das älteste Trommlercorps in Ravensburg. Denn die Rutentrommler gibt es schon seit 1685. Ich blicke also auf 54 Jahre als Trommlerbeauftragter zurück und will das nicht missen. Eine tolle Zeit, die natürlich auch anstrengend war und immer noch ist. Zum Glück bin ich früher mit zwei bis drei Stunden Schlaf ausgekommen und habe reichlich Abwechslung beim Tanzen – meiner zweiten Leidenschaft.
Jedes Jahr wünsche ich mir, dass meine Schülerinnen und Schüler Spaß haben. Dabei sind die 36 Rutentrommler etwas ganz besonderes: Bei uns machen Jugendliche aus allen Ravensburger Schulen mit, von der 7. bis zur 10. Klasse. Und seit 1992 nehmen wir als erstes und bislang einziges der traditionellen Trommlercorps Jungen und Mädchen gleichberechtigt auf. Schüler*innen mit Migrationshintergrund werden ganz selbstverständlich integriert. So waren bei uns schon mal sieben Nationalitäten vertreten. Ich habe Italienisch, Englisch, Spanisch, Russisch und Französisch gesprochen – oft auch mit Händen und Füßen. Seitdem habe ich drei graue Haare mehr. Für die Vielfalt und ein Rutenfest für alle stehen wir bis heute. Aber auch bei uns gilt, dass das Rutenfest und das Üben große Anstrengungen erfordert, viel Disziplin und ein gutes Verhältnis innerhalb der Gruppe. Dabei verliere ich als Trommlerbeauftragter nie aus den Augen, dass Gesundheit und Schule immer vorgehen. Deshalb erstelle ich den Marschplan so, dass wir nie bei mehr als 60 bis 80 Adressen antrommeln. Außerdem wollen die Mädchen und Jungs eben nicht nur trommeln, sondern auch auf den Rummel gehen. Und wenn eine Klassenarbeit ansteht, dann fällt die Probe eben aus. Da bin ich voll flexibel. Seit 2019 bin ich in Rente und die Aufgabe macht mir immer noch Spaß – hoffentlich kann ich noch 30 Jahre weitermachen.“
Psst, wusstest du, …
… dass Kurt Schlachter in seiner Wohnung ein eigenes Rutenfestzimmer hat? Im Video kannst du mal reinspickeln.
Making of #meinschussental Kurt Schlachter © Don Ailinger