Recycling – vom richtigen sortieren bis zum Müll vermeiden

„Umwelt schonen ist ein gutes Gefühl“

vom 31. Okt 2022
Autor: Stefan Blank
Fotos: Don Ailinger
Recycling auf dem Gelände der Bausch GmbH
© Don Ailinger
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Seit den 1970er- und 1980er-Jahren sind die Deutschen aufs Recycling gekommen. Schonung und Erhalt von Ressourcen und Umwelt wurde damals ein politisches Thema. Seitdem tragen wir den Umweltgedanken genauso mit uns herum wie den klassischen Jutesack für den Einkauf. Heute verteilen wir unseren Müll auf grüne, schwarze, braune und gelbe Tonnen. Glas tragen wir zuverlässig zu den bereitgestellten Containern, die wiederum in grün, weiß und braun aufgeteilt sind. Recycling wird längst professionell betrieben: Altbatterien und Altpapier, Bauschutt und Kühlschränke, Lampen und Farben, Holz- und Metallabfälle, Rollläden und Alufenster landen normalerweise bei den zuständigen Entsorgern.
Für die Schussentäler*innen heißt das seit vielen Jahren, dass sie ihre Überreste „zum Bausch“ bringen. Sogar in die Kunst hat es der Müll geschafft: Die Ausstellung „Territories of Waste“ im Museum Tinguely Basel glänzt bis Januar 2023 mit künstlerischen Ideen zum Thema Müll und Rohstoffverschwendung. Wir haben uns Recycling genauer angeschaut und engagierte Menschen getroffen, die vermeiden, entsorgen und reparieren – und damit die Umwelt schonen.

Die Firma Bausch gibt es seit mehr als 120 Jahren. Heute wird sie in vierter Generation von Armin Bausch geführt. Und er kennt sich aus. Das muss er, denn die Technologie schreitet rasend schnell voran. Werkstoffe als Verpackungen werden optimiert, chemisch neu erfunden, in bisher nicht dagewesene Formen gepresst oder schick eingefärbt und landen letztendlich nach einem überschaubaren Lebenszyklus bei ihm. Schrotthändler sei er, doch das meint er nicht ernst. Die Welt des Armin Bausch und seines 135 Frau und Mann starken Teams dreht sich um gut 150.000 Tonnen Material, die sein ausladendes Firmengelände in der Ravensburger Bleicherstraße direkt neben der Bahnlinie jedes Jahr durchlaufen.

Das Motto der Firma Bausch ist Programm. Armin Bausch sorgt in der vierten Generation dafür, dass Abfall korrekt verwertet wird. © Don Ailinger

Ordnung ist das halbe Leben

„Bringen wir’s in Ordnung“ heißt das Motto des Hauses. Denn Ordnung ist nicht nur das halbe Leben, sondern eröffnet gerade beim Recycling große Chancen. „Rohstoffe sind unser Business“, sagt Bausch und meint damit, dass es sich lohnt, in die bei ihm angelieferten Sperrmüll- und Gewerbeabfälle-Container hineinzuschauen. Oder in die Kisten, Tüten, Koffer und Eimer, die an sechs Tagen die Woche „zum Bausch“ gebracht werden. „Wir ziehen die verwertbaren und damit werthaltigen Stoffe raus, verkaufen diese weiter und bringen sie somit wieder in den Kreislauf.“ Auf diese Weise können rund 70 Prozent der Abfälle recycelt werden und die restlichen, durch eine Sortieranlage gewonnenen Abfälle schließlich verbrannt werden – als Ersatz für Brennstoffe wie Kohle, Erdöl oder Gas.

„Erst wenn kein Abfall mehr anfällt, dann hat die Menschheit ihre Hausaufgaben gemacht.“ 

Armin Bausch
Schrotthändler in der vierten Generation
Armin Bausch teilt sein Haus auf in den Wertstoffhof, den Schrotthof und die Abfallwirtschaft. Im Wertstoffhof landet all das, was nicht im Altpapier, dem Biomüll, Hausmüll, der Gelben Tonne und den Altglascontainern verschwindet. Der Schrotthof ist die Heimat von klassischem Schrott, von Alufenstern bis zu alten Baggerschaufeln – und die Abfallwirtschaft ist der ganze Rest. Dazu gehören die dampfenden Häufen Plastikmaterial, die aus den Gelben Tonnen des Landkreises stammen. „15 Prozent der in den Gelben Tonnen enthaltenen Kunststoffe können wir verwerten, der größte Teil wird verbrannt.“ Teilweise verpresst werden die Reste per Lkw abtransportiert und einer weiteren Verarbeitung zugeführt. Beispielsweise zur Verbrennung im Blockheizkraftwerk Weinfelden in der Schweiz. Dieses versorgt mehrere Gemeinden mit Wärme und Strom. „Die Schweizer sind uns im Thema Müllverbrennung um Jahre voraus. Hier in Baden-Württemberg schaffen wir es mit knapper Not in nur fünf Verbrennungsanlagen den privaten Abfall zu entsorgen.“
Es steckt immer etwas drin, was weiterverwertet werden kann. Dafür sorgt auch die Sortieranlage, in der auch von Hand Stoffe sortenrein erfasst werden. © Don Ailinger
Bausch sieht für die Zukunft viele Möglichkeiten rund um das Thema Recycling: Das Konzept Waste-to-Energy beispielsweise. Hier geht es schlicht darum, aus Abfall Energie zu erzeugen und damit eine Alternative zu klassischen Energiequellen zu schaffen. „Solange wir einfach nur Öl verbrennen, um unsere Häuser zu heizen, sollten wir besser erst aus dem Öl einen Joghurtbecher machen und den dann energetisch verwerten. Hochenergetische Abfallstoffe, das ist die Zukunft.“

Der verbrannte Abfall verschwindet übrigens nicht aus der Welt, wie der Schrotthändler erklärt. „Die anfallende Asche wird zu Schlacke aufbereitet, verwertet und endet dann beispielsweise als Füllmaterial bei Straßenausbesserungsarbeiten.“ Klingt gut, aber Bausch schaut noch weiter in die Zukunft: „Erst wenn kein Abfall mehr anfällt, dann hat die Menschheit ihre Hausaufgaben gemacht.“

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Blick über den Tellerrand

150.000 Tonnen Abfall allein in Ravensburg, das klingt wie eine unglaubliche Zahl. Aber der Blick über den Tellerrand verrät viel mehr über die Welt des Mülls: 2,6 Milliarden Tonnen Abfall weltweit werden von Expert*innen für das Jahr 2030 vorhergesagt. 2050 werden es wohl 3,5 Milliarden sein. Der World Wildlife Fund (WWF) geht davon aus, dass allein beim Plastikmüll mit einem jährlichen Eintrag in die Gewässer der Welt von 19 bis 23 Millionen Tonnen auszugehen sei. Nur ein geringer Teil des Plastikmülls schwimme dabei auf der Oberfläche, der Rest gelange in tiefere Gewässer oder auf den Meeresboden. Schätzungen zufolge lagern hier bereits 80 Millionen Tonnen Plastik. Für ganz Deutschland zählte 2020 das Statistische Bundesamt (Destatis) 414 Millionen Tonnen Abfall, und in Baden-Württemberg hütet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Müllzahlen: 11,95 Millionen Tonnen haben die öffentlich-rechtlichen Entsorger im Jahr 2021 angenommen und entsorgt. Pro Kopf sind das nicht weniger als 364 Kilogramm. 162 davon sind Wertstoffe aus Haushalten, also Restmüll, 58 stammen aus der Biotonne und 144 Kilogramm sind Haus- und Sperrmüll.

Womit wir im Landkreis Ravensburg angekommen wären. 2021 fielen hier 31.271 Tonnen privater Abfall an, davon 23.772 Tonnen Hausmüll und 7.499 Tonnen Sperrmüll. Also 109 Kilogramm Müll pro Einwohner*in – ohne Wertstoffe, Abfälle aus der Biotonne und Grünabfälle. Damit liegt Ravensburg im baden-württembergischen Vergleich bei den Städtischen Kreisen an fünfter Stelle von 27 – hinter Calw, Rastatt, Tübingen und dem Zollernalbkreis. Schlusslicht ist der Ortenaukreis mit 218 Kilogramm Müll pro Einwohner*in. Was aber nicht heißt, dass wir uns auf den vermeintlich guten Zahlen ausruhen sollten.

Müll vermeiden lernen

Denn heute haben wir die Wahl. Wir können recyceln, upcyceln und downcyceln. Wir können überholte E-Bikes kaufen, Stühle aus Kunststoffresten und Kaffeebohnenfasern oder Outdoorkleidung aus geschredderten PET-Flaschen. Und wir können Müll vermeiden. Wie das geht und wie der Recyclingzyklus in Gang gesetzt werden kann, das lernen die Kleinen heute glücklicherweise schon in der Kindertagesstätte. Zum Beispiel in der Katholischen Kindertagesstätte St. Theresia in Ravensburg. Hier geht es „Hand in Hand in die Zukunft“, wie an der Eingangstür steht. Um den Müll und seine Vermeidung geht es hier im großen Maßstab seit 2020. Damals, so erzählt die Leiterin Brigitte Gerhardt, ging es zuerst um den täglichen Müll im Garten und dem Gebüsch ums Haus herum. „Denn beim Vorbeigehen werfen Leute ihre Zigarettenpackungen und Plastikbehälter einfach bei uns über den Zaun. Also haben wir angefangen, mit den Kindern zusammen den Müll einzusammeln.“

Wenn die Kleinen von der Katholischen Kindertagesstätte St. Theresia losziehen zum Müll einsammeln, dann
ist das immer ein Erlebnis. © Don Ailinger
Müll im Garten einzusammeln war gut, aber es ging noch weiter: Das zehnköpfige Team in der Kindertagesstätte weitete in Abstimmung mit der Stadt Ravensburg seinen Radius aus und sammelt bis heute fleißig am nahen Spielplatz und am Ufer der Schussen. „Und jetzt sollen unsere Kinder noch lernen, dass Müll getrennt wird und sie am besten Müll ganz vermeiden.“ Also wird über den Abfall gesprochen und gemeinsam in die hauseigenen Mülleimer geschaut, ob das, was da drin ist, auch wirklich dort hinein gehört. Plastiktüten in den Plastikmüll, Papier in den Papiermüll, Glas und Dosen in die richtigen Tonnen. Und dass es nicht immer der einzeln verpackte Minikäse sein muss, den die Mama als Pausensnack einpackt. Denn der hat eine Plastikschicht um den Käse herum. Die gehört in den Plastikmüll und eigentlich wird sie nicht gebraucht. Denn Käse schmeckt auch nackig. „Wir haben den Kindern einmal die Aufgabe gestellt, in dem Mülleimer zu Hause zu schauen, was da so alles drin ist. Da gab es reichlich Aha-Effekte – die sich hoffentlich die ganze Familie in Sachen Müllvermeidung zunutze machte.“

Heute ziehen Paula, Fatima, Mia, Francisco, Leana und Emily unter der Obhut von Erzieherin Tanja Fröhle öfters los zum Schussenufer. Bewaffnet mit Handschuhen und Greifern sammeln sie Zigarettenkippen, Glasscherben – „Vorsichtig sein beim Aufheben!“ –, Bonbonpapier und Plastikfolien, Dosen und Tetrapacks. Der Sack füllt sich schnell und an der Schussen ist es für kurze Zeit sauber. Francisco weiß genau, warum er hier sammelt: „Weil wir nicht wollen, dass es schmutzig ist. Und wenn wir den Müll einsammeln, ist es viel schöner.“ Und das ist sicher so manche Putzete wert.

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    Reparieren nicht vergessen

    Wir sollten aber nicht vergessen, dass Werte schlichtweg auch erhalten werden können. Spuckt der Toaster nur noch Briketts aus oder der Wasserkocher nur noch handwarme Brühe, dann muss nicht gleich ein neuer her. Denn vieles kann repariert werden. Also, um im Jargon der Branche zu bleiben: Es kann „repaired“ werden. Beispielsweise in einem Repair Café.

    Das Repair Café ist gut organisiert: Von der Annahme bis zur professionellen Reparatur – hier wird kaputten Geräten geholfen © Don Ailinger
    „Reparieren statt wegwerfen – Umwelt und Ressourcen schonen“, das ist die Mission des Repair Cafés im Kapuziner Kreativzentrum in Ravensburg. Es öffnet jeden dritten Samstag im Monat von 11 bis 14 Uhr seine Pforten, eine vorherige Anmeldung des Geräts ist erwünscht. Hier treffen kränkliche Toaster, rauschende Radios und saftlose Staubsauger auf ein Team von Ehrenamtlichen, „die mit Schraubendreher, Nähnadel und Klebstoff umgehen können – und wollen“. Die Köpfe des Ganzen sind Lothar Thiel und Marlies Neukum, die gemeinsam mit Mitstreiter*innen seit 2015 dabei sind. Das Repair Café wird gefördert durch Mittel des Landes Baden-Württemberg, Spenden werden gerne angenommen. Aber um Geld geht’s überhaupt nicht. Es gehe vielmehr um das Umgehen mit der Technik, um die Herausforderung, so Thiel. Und der Umweltgedanke sei sicher ein ideeller Wert. Der Rest ist Improvisation – bei einer Erfolgsquote von 70 bis 75 Prozent. Und nichts macht die Schrauber*innen stolzer, als die Lebensdauer einer Kaffeemaschine oder eines Kerzenständers zu verlängern oder einen „Kobold 135“ zum Saugen zu bringen – immerhin der Klassiker von Vorwerk. „Wir sind zwar mit Leidenschaft dabei, aber wir könnten noch ein paar Spezialist*innen für Radios und Fernseher brauchen“, sagt Thiel. Dann könnte das Repair Café noch mehr leisten.

    „Unsere Erfolgsquote liegt bei 70 bis 75 Prozent.“ 

    Lothar Thiel
    Mitglied im Orga-Team des Repair Cafés
    „Manchmal ist die Bude am Samstag voll“, sagt Thiel. „Dann bringen wir Dinge wieder zum Laufen, die sonst im Müll landen würden. So schonen wir die Umwelt. Und das ist immer wieder ein gutes Gefühl.“

    Recycling im Schussental

    Making of #meinschussental Recycling – Müll vermeiden lernen: recyceln, upcyceln und downcyceln © Don Ailinger

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