Ravensburg – die Stadt der Spiele

Immer die Familie im Blick

vom 15. Mrz 2024
Autor: Stefan Blank
Fotos: Don Ailinger, CasagrandaFoto, Kulturamt RV | Heiss
© Don Ailinger
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Das Ravensburger Amt für Tourismus und Stadtmarketing muss sich keine Gedanken darüber machen, ob die Marke „Ravensburg“ wirkt. Denn „keine deutsche Stadt hat so viele Botschafter.“ Dabei geht es weniger um Diplomaten, sondern um Spiele, Puzzles und Kinderbücher. Denn die mit dem Blauen
Dreieck – das 2024 seinen 50. Geburtstag feiert – tragen den Namen der
Metropole Oberschwabens in alle Welt. Die Ravensburger AG hat hier ihren Hauptsitz, es gibt ein eigenes Museum, den Freizeitpark Ravensburger
Spieleland und seit 1989 „Ravensburg spielt“.

Es gibt also einiges, was sich bei einem Spaziergang erkunden lässt. Eine gute Gelegenheit, um sich auf die Suche nach dem spielerischen Geheimnis der Stadt der Spiele zu machen.

Das Spielen

Schon vor tausend Jahren spielte man auf der Veitsburg in Ravensburg Schach und neben dem florierenden Handel stand bei den feinen Kaufleuten im Mittelalter das Spielen hoch im Kurs. Man vertrieb sich die Zeit beispielsweise mit Puff oder Wurfzabel, einem Brettspiel, das dem heutigen Backgammon ähnelt. Es gab etliche verschiedene Brettspiele, denn sie waren günstig und quasi unkaputtbar. Würfel waren sehr beliebt und lockten zum Glücksspiel. Auch mit Karten wurde schon im 14. Jahrhundert gezockt.

Der Mensch hat schon immer gespielt. Die ältesten Funde wurden in einem Königsgrab in Ur in Mesopotamien gemacht. Hier fanden Forscher ein Würfelbrettspiel, das bereits im 3. Jahrtausend vor Christus beliebt war. Auch im berühmten Pharaonengrab von Tutanchamun waren Spielbretter mit Spielknöchelchen beigesetzt. Antike Schriften verraten, dass das Spielen im Alltag über die Jahrhunderte sehr verbreitet war. Und das galt nicht nur für Kinder. Auch Erwachsene verbrachten (Frei-)Zeit mit Spielbrett, Würfelbecher und Karten. Denn das Leben war hart und Spielen für Groß und Klein eine willkommene Abwechslung. Gleichzeitig half das gemeinsame Spielen, soziale Beziehungen aufzubauen und geistige Fähigkeiten zu verbessern. Als wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens trugen Spiele zur Förderung des kulturellen Austauschs, des Handels und der politischen Beziehungen bei. Die Spieler*innen in Ravensburg waren also in guter Gesellschaft.

Matthias Karl, Spieleredakteur bei der Ravensburger AG, beschreibt anhand von Zeichnungen und Plänen begeistert und anschaulich, wie Spiele geboren werden. © Don Ailinger

Der Spieleverlag

Da traf es sich nur zu gut, dass Otto Maier diese lange Tradition aufnahm. Er wurde 1852 in Ravensburg geboren und übernahm 1876 die Anteile seiner Eltern an der Dorn’schen Verlagsbuchhandlung in der Stadt. 1883 gründete er seinen eigenen Verlag, den „Otto Maier Verlag“.

Maier hielt viel von den pädagogischen Reformern seiner Zeit, dem Motto „Lernen durch Tun“ und der Einheit von „Kopf, Herz und Hand“. Seine Idee war es, Produkte auf den Markt zu bringen, die Unterhaltung und Bildung „aufs Trefflichste vereinen“. Dazu gehörten Brettspiele und Puzzles, Kinderbücher und Lehrmaterialien. Vor dem Ersten Weltkrieg führte der Verlag rund 800 verschiedene Spiel- und Buchtitel. 1959 erschienen „Memory“, bis heute ein absoluter Klassiker, und „Malefiz“, ein Brettspiel, das Würfelglück, Taktik und Nervenstärke vereint.

Ein weiterer Meilenstein war die Einführung von „Scotland Yard“ 1983, der Durchbruch in der Spielebranche gelang 1986 mit „Das verrückte Labyrinth“. Dieses von Max Kobbert entworfene Spiel wurde ein großer Erfolg und trug dazu bei, Ravensburger als führendes Unternehmen im Bereich Brettspiele zu etablieren.

Ravensburger stellte auch Lizenzspiele, Kartenspiele und weitere innovative Produkte her. Zu einer starken Kundenbindung führte das weltbekannte blaue Dreieck von 1974. Farbe und Form sollten die Philosophie des Unternehmens widerspiegeln: Ein Dreieck stehe für Klarheit, Stabilität und Harmonie. Blauweiß ist die Ravensburg-Fahne und Blau sei nicht nur die Lieblingsfarbe der meisten Deutschen, sondern signalisiere auch Verlässlichkeit, Ruhe, Erholung und Sicherheit. Daneben ist die Platzierung kein Zufall. Die rechte untere Ecke gilt als „Greifecke“ bei Spiel- und Puzzle-Schachteln, wenn sie aus dem Regal gezogen werden, oder als die „Blätterecke“ bei Büchern.

In den 1990er-Jahren folgten Bestseller wie „Nobody is perfect“. Seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts setzt Ravensburger verstärkt auf digitale Spiele und erweitert beständig das Angebot um Apps und Online-Plattformen. Dennoch ist das Unternehmen bis heute seinen Wurzeln treu geblieben. Der Hauptsitz befindet sich nach wie vor in Ravensburg. Klassische Brettspiele und Puzzles gibt es nach wie vor. Und es werden ständig neue Ideen geboren und Spiele erfunden.

Das „Verrückte Labyrinth“ und „Malefiz“ sind zeitlose Klassiker aus Ravensburg, die in der ganzen Welt gespielt werden. © Don Ailinger

Matthias Karl entdeckt jedes Mal aufs Neue „das Kind in mir“, wenn ihm eine gute Spielidee begegnet. © Don Ailinger

Der Spiele-Redakteur

Wo kommen die genialen Ideen für Spiele her? Und wie werden sie umgesetzt? Wir fragen nach bei Matthias Karl, Spieleredakteur bei der Ravensburger AG. Das von ihm betreute Kartenspiel „That’s not a hat“ stand 2023 auf der Empfehlungsliste für das „Spiel des Jahres“. „Es gibt Spieleerfinder, wir nennen sie Autoren, und es gibt Spieleredakteure, so einer bin ich. Die Autor*innen besuchen nach Terminabsprache unsere Stände auf den großen Spielemessen in Deutschland und präsentieren mir in einer halben Stunde ihre Idee.“ Die meisten Spieleerfinder*innen bringen Interesse an Mathematik mit und zeichnen sich durch eine strukturierte Arbeitsweise aus. Bislang ist der Berufszweig jedoch überwiegend von Männern geprägt.

Sie präsentieren dann liebevolle Zeichnungen, Scherenschnitte und animierte Präsentationen. Was einfach klingt, ist es längst nicht. Denn 99 Prozent aller Spielideen muss Karl ablehnen. „Aber wir geben immer konstruktives Feedback und wollen keinen verprellen. Denn vielleicht klappt’s beim nächsten Mal.“ Aber das eine Prozent, das muss „dich sofort packen.“ Das beginne mit einem Bauchgefühl und dann mit der Erkenntnis, dass das wirklich etwas Neues sein könnte. „Die bestmögliche, coole Idee, die noch nie da war.“ Aber wann ist denn nun ein Spiel gut? „Ganz einfach: Wenn Menschen nach dem Spiel ein gutes Gefühl haben. Wenn sie gemeinsam Zeit verbracht haben und vielleicht in dem Augenblick glücklich sind.“ Was sicher ganz im Sinne des Firmengründers Otto Maier ist, nämlich die Einheit von „Kopf, Herz und Hand“ zu betonen.

Und wenn die Idee cool ist und zu den glücklichen ein Prozent gehört, dann kümmern sich die Spieleredakteure von Ravensburger um die Weiterentwicklung bis zur Marktreife. „Wir verbessern, wir vereinfachen und haben dabei immer die Familie im Blick.“ Im Idealfall fesselt das Spiel später die große Zielgruppe „10–99“ – jung bis alt. Das gelang meisterhaft mit „Das verrückte Labyrinth“. Wer heute in sein Spieleregal schaut, wird es wahrscheinlich wiederfinden und hoffentlich auch mal wieder spielen. Vielleicht in der Schule, mit der ganzen Familie, mit den Freunden, an einem Spieleabend im Ravensburger Kapuziner Kreativzentrum oder bei „Ravensburg spielt“.

„Ravensburg spielt“ gibt es schon seit 1989. Aber jedes Jahr denken sich die Verantwortlichen neue und vor allem spielerische Highlights aus – Langeweile kann hier nicht aufkommen. © CasagrandaFoto, Kulturamt RV | Heiss

Das Spielewochenende

Die städtische Kulturmanagerin Sabine Arnegger und ihre Kollegin Franziska Eger haben vor kurzem die Spielwarenmesse in Nürnberg besucht, um für ein paar Ideen für eines der Großevents in Ravensburg Partner*innen zu finden. Denn „Ravensburg spielt“ wirft auch 2024 seine Schatten voraus. 30.000 Besucherinnen und Besucher aus der Region, Deutschland, der Schweiz und Österreich wollen am letzten Wochenende der baden-württembergischen Sommerferien (7./8. September) bespaßt werden. Und das klappt hervorragend – immerhin seit 1989. Längst hat „Ravensburg spielt“ die Stadt der Spiele weit hinaus bekannt gemacht und das Image Ravensburgs als familienfreundliche Stadt gestärkt.

Die Väter von „Ravensburg spielt“ waren damals Erich Lange, Bertram Kaes, Reinhold Nonnenbroich und Oberbürgermeister Hermann Vogler. Erich Lange, bis heute Inhaber des gleichnamigen Musikhauses, hatte den Stein ins Rollen gebracht und schon lange den Wunsch, auch außerhalb des Rutenfests Menschen und Leben in die Innenstadt zu bringen. Also ging er zu Reinhold Nonnenbroich, dem Vorsitzenden der damaligen Ravensburger Handelsgemeinschaft, und traf auf eine verwandte Seele. „Ravensburg spielt“ war geboren. Die beiden fanden Verstärkung in Spieleerfinder Bertram Kaes. Es bildete sich ein Arbeitskreis, und am 16. September 1989 fand das „1. Stadtfest auf dem Marienplatz“ statt. Mit mehr als 1.000 Spielen, Musik und Theater, Zauberern, Gauklern und vielem mehr. Oberbürgermeister Hermann Vogler war begeistert. Und die Begeisterung ist geblieben. „Wir haben heute mehr als 100 Stände, von der Bastel- und Spielstation bis zum Seifenblasenlabor und der TWS-Trinkwasserbar mit Geschicklichkeitsparcours“, erzählt Franziska Eger. Zahlreiche Unternehmen sind beteiligt, etliche Sponsoren wie die TWS sorgen nach wie vor dafür, dass der Eintritt frei bleibt und natürlich ist die Ravensburger AG auch einer davon. „Spielen ist in“, sagt Sabine Arnegger. Und so gibt es bei „Ravensburg spielt“ immer etwas Neues zu entdecken, wie 2023 beispielsweise die internationale Spielehütte. „Hier hatten wir Spiele in den Originalsprachen, beispielsweise auf Japanisch oder Ukrainisch. Da konnten auch geflüchtete Menschen mitspielen und ins Gespräch kommen.“ Und ein Glücksrad auf Deutsch reiche lange nicht mehr, andere Sprachen seien gefordert. „Wir sehen das als Angebote, um mit allen Menschen zusammenzukommen“, so Eger, „wir gehen mit der Zeit und denken uns immer etwas Neues aus.“ Das klingt ganz nach einem weiteren Motto von Otto Maier: „Lernen durch Tun“.

„Lernen durch Tun“ war eines der Mottos von Firmengründer Otto Maier. Und tun können Große und Kleine einiges im Museum Ravensburger. Gut, dass sie dabei auch gleich noch etwas lernen. © Don Ailinger

Das Museum und das Spieleland

Einige Familien, so erzählen Kulturmanagerin Sabine Arnegger und ihre Kollegin Franziska Eger, planen ihre Ferien um „Ravensburg spielt“ herum. Da passt es ganz hervorragend, dass es das „Museum Ravensburger“ gibt und das „Ravensburger Spieleland“. Das Museum lädt bei einem Familienausflug zu „Memory“, „Malefiz“ und Co. ein und konnte 2023 gut 48.000 Besucher*innen willkommen heißen, wie Yvonne Wirth, Head of Marketing & PR bei der Ravensburger Freizeit und Promotion GmbH, erzählt. Im historischen Stammsitz des Verlags in der Ravensburger Altstadt entdecken große und kleine Besucher*innen auf drei Stockwerken die Geschichte des Unternehmens und bekannte Klassiker. Wie entsteht ein Spiel? Warum passt ein Puzzleteil ins andere? Und Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht. „Wir möchten, dass die ganze Familie hier im Museum eine schöne Zeit hat, Spaß und Spannung erlebt und viel lacht.“

Eine Absicht, die auch für das Ravensburger Spieleland gilt. 2023 konnte „Das größte Spielzimmer der Welt“ in Meckenbeuren seinen 25. Geburtstag feiern. Seit 1998 läuft das Ravensburger Spieleland unter dem Motto „Spielzeit. Familienzeit. Mitmachzeit.“ – und das für die ganze Familie. Um das Mitmachen geht es: Kinder von zwei bis zwölf Jahren sind eingeladen, gemeinsam mit ihren Eltern zu erleben, zu lernen und jede Menge Spaß zu haben. Mitten im Grünen entdecken jährlich 460.000 Besucher mehr als 70 Attraktionen in acht Themenwelten und können hier auch übernachten. Übrigens ohne WLAN oder Internet. „Denn“, so Wirth, „wir möchten, dass die Familien miteinander spielen.“ Otto Maier wäre begeistert.

Yvonne Wirth von der Ravensburger Freizeit und Promotion GmbH wünscht sich, dass die ganze Familie eine gute Zeit hat – im Museum und natürlich auch im Spieleland. © Don Ailinger

Making of #meinschussental – Immer die Familie im Blick © Don Ailinger

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