Gemeinsam die Klimazukunft gestalten

Nachhaltiger leben und wirtschaften

vom 10. Sep 2021
Autor: Stefan Blank
Fotos: Anja Köhler
© Anja Köhler
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Wer von oben, vielleicht vom Bänkle bei St. Christina aus, auf Ravensburg blickt, sieht Türme und Tore, Wohn- und Industrie-
bebauung, eine historische, mittelalterliche Altstadt mit engen Straßen und Gassen und viele Dächer. Julia Zyder und Armin Feser sehen noch mehr: Ihnen geht es vor allem um all die Möglichkeiten, Ravensburg bis 2040 klimaneutral zu machen. Wir haben die beiden bei einem Rundgang begleitet.

Julia Zyder ist Abteilungsleiterin Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei der Stadt Ravensburg, Armin Feser Vertriebsleiter bei der TWS. Um den sogenannten „Klimakonsens“ geht es ihnen, der am 27. Juli 2020 vom Ravensburger Gemeinderat beschlossen wurde – oder vielmehr darum, ihn mit Leben zu füllen.

Der Klimakonsens ist ein deutschlandweit bisher einmaliges Projekt in Sachen lokaler Klimaschutz und ein Strategiepapier mit ehrgeizigen Maßnahmen und Zielvorgaben. Ziel ist es, für die Stadt bis spätestens 2040 die Klimaneutralität zu erreichen. Dabei geht es um die großen Bereiche Mobilität und Verkehr, Gebäude und Energie, um Ausgleichsmaßnahmen und verstärkte Bewusstseinsbildung bei den Menschen für nachhaltigeres Leben und Wirtschaften.

„Besonders bei der Mobilität sind wir schon ein gutes Stück vorangekommen“, sagt Julia Zyder. „So kann man beispielsweise die Stadt und das Schussental mit gut ausgebautem öffentlichem Nahverkehr, dem E-Auto oder dem E-Bike im wahrsten Sinne des Wortes ‚erfahren‘.“ Es gibt Ladestationen mit Ökostrom, das Elektrofahrrad-Verleihsystem tws.rad sowie ein eCarsharing-System, das die TWS gemeinsam mit einem Partner aufgebaut hat und weiterentwickeln will. „Hier sind wir erst am Anfang, sehen aber großes Potenzial“, sagt Armin Feser. Der gebürtige Oberschwabe ist seit März 2021 Vertriebsleiter bei der TWS und mit der Mission unterwegs, „möglichst viele Menschen im Schussental von unseren nachhaltigen Produkten zu überzeugen“.

„Wir möchten möglichst viele Menschen im Schussental von unseren nachhaltigen Produkten überzeugen.“ 

Armin Feser
Vertriebsleiter der TWS

Eines dieser Produkte ist die Photovoltaik (PV). Die hat in Ravensburg keinen einfachen Stand, da in der Altstadt selbst aus Gründen des Denkmalschutzes keine PV-Anlagen installiert werden dürfen. Dafür aber auf öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise auf Turnhallen, Gewerbebauten und Parkhäusern. Eines davon ist das Parkhaus Bahnstadt, auf dessen Dach die TWS eine PV-Anlage betreibt. Diese erzeugt seit 2014 zuverlässig 20 MWh (Megawattstunden) Strom im Jahr. „Bei der Photovoltaik schauen wir, dass wir Gewerbetreibende mit ins Boot nehmen können, aber auch städtische Gebäude bieten Potenzial“, sagt Zyder. Dazu gehört beispielsweise die Turnhalle bei den Ravensburger Gymnasien. Dort soll im Herbst 2022 eine PV-Anlage mit 63 kWp in Betrieb genommen werden. Der Strom wird dann direkt vor Ort von den Schulen genutzt. „Mit diesem Projekt möchten wir Vorbild sein.“

Auch beim Bau neuer Quartiere will die TWS zukünftig verstärkt im Rahmen von Quartierskonzepten PV-Anlagen realisieren. „Zusammen mit den Projektentwicklern arbeiten wir an nachhaltigen Projekten, die energetischen und wirtschaftlichen Nutzen für die Bewohner*innen sicherstellen, aber auch den hohen städtebaulichen Ansprüchen genügen“, erklärt Feser.

Eine der größten Herausforderungen im Rahmen des Klimakonsenses ist die Erstellung der Fernwärmeversorgung für die Ravensburger Innenstadt. Um diese mit nachhaltiger Wärme zu versorgen, musste eine rund fünf Kilometer lange Fernwärmetrasse durch den Altstadtkern verlegt werden. 2020 wurde auf dem Gespinstmarkt der erste Bauabschnitt dieser Fernwärmeversorgung umgesetzt und Versorgungsleitungen sowie Hausanschlussleitungen installiert. 2021 folgten die weiteren Bauabschnitte im Rahmen der Sanierung. „Am Beispiel des Gespinstmarkts zeigt sich, dass die Herausforderungen, ein Wärmenetz durch eine historische Altstadt zu verlegen, vor allem bei der Umsetzung immens hoch sind“, so Feser. Aber sicher sei, dass die Anwohner*innen vom klimafreundlichen Wärmenetz profitieren werden – und damit die ganze Stadt im Sinne des Klimakonsenses. Eine Belohnung für die gemeinsamen Anstrengungen gab es bereits: 2020 zeichnete die „Agentur für Erneuerbare Energien e. V.“ (AEE) mit Sitz in Berlin Ravensburg als Energie-Kommune des Monats Oktober aus. Überzeugt hatten vor allem zwei wichtige Klimaschutz- und Energiewendemaßnahmen der Stadt: Der Ausbau des Nahwärmenetzes in der Altstadt und der Klimakonsens, an dem unterschiedliche Akteur*innen in der Stadt beteiligt waren.

„Der Einsatz von jedem Einzelnen zählt, denn nur so können wir gemeinsam unser Ziel erreichen.“ 

Julia Zyder
Abteilungsleiterin Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei der Stadt Ravensburg

Aber auf dem Erfolg will sich keiner der Beteiligten ausruhen, wie Zyder betont: „Wir als Stadtverwaltung haben nur auf etwa 20 Prozent der CO2-Emissionen in Ravensburg direkten Einfluss – eben durch klimafreundliche Mobilitätsangebote oder durch Sanierungsmaßnahmen städtischer Gebäude. Die anderen 80 Prozent CO2-Emissionen wollen wir gemeinsam mit der tatkräftigen Unterstützung unserer Bürger*innen sowie der Ravensburger Unternehmen verwirklichen. Hier zählt der Einsatz von jedem Einzelnen, denn nur gemeinsam können wir unser Ziel erreichen.“ Daher ist das Handlungsfeld Bewusstseinsbildung für die Zielerreichung besonders bedeutend- beispielsweise die Beratung von Bürger*innen zu Klimaschutzthemen. „Wir unterstützen Akteure im Bildungsbereich oder setzen zukünftig Bildungs- und Beratungsangebote für unterschiedliche Zielgruppen um. Unser Ziel ist es, die Bürger*innen in Zukunft besser über die Klimaschutzaktivitäten in Ravensburg zu informieren und zum eigenen Handeln zu aktivieren.“ Dem kann Armin Feser nur zustimmen: „Nur gemeinsam können wir etwas erreichen. Und da hilft es, über städtische Grenzen hinauszudenken und allen Menschen klarzumachen, dass Klimaschutz jeden und jede angeht.“

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