Ein Besuch in der Wetterwarte Süd

Ist der Klimawandel auch im Schussental zu spüren?

vom 14. Jul 2020
Autor: Stefan Blank
Fotos: Anja Köhler
© Anja Köhler
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Dass sich das Wetter verändert, das merken alle – auch im Schussental. Warum das so ist, erklärt der Wetterpapst Roland Roth.

Roland „Role“ Roth (66) ist ein überzeugter Fan von Eintracht Frankfurt. Er war der erste aktive Grüne im Landkreis Biberach, in den 1970er-Jahren Gründungsmitglied des ersten selbstverwalteten Jugendzentrums in Bad Schussenried und er verunsicherte gemeinsam mit dem Ex-Grünen-Politiker Oswald Metzger die Bürgerschaft seiner Heimat, indem er die Zeitschrift „Dr’ Motzer“ herausbrachte. Der Name war Programm. Kein Wunder, dass ihm bis heute der Spitzname „Roter Role“ anhängt – was eben nicht nur mit den Vereinsfarben von Frankfurt zu tun hat: Schwarz, Weiß und reichlich Rot.

Doch seine heimliche Leidenschaft, weit weg von Revoluzzertum, Revolte und Anarchie waren schon immer das Wetter seiner Heimat, Wolkenbilder und meteorologische Zusammenhänge. Und so war 1968 – abseits der großen Politik, daheim in Bad Schussenried – für Role Roth ein ganz besonderes Jahr: Am 7. Januar richtete er im zarten Alter von 13 Jahren im Garten seiner Eltern eine Wetterstation ein – die Geburtsstunde des „Wetterpapstes“ Roland Roth und der Wetterwarte Süd (WWS).

Die Wetterstation von Roland Roth liegt am Ortsrand von Bad Schussenried auf exakt 48 Grad nördlicher Breite und 9 Grad 39 Minuten östlicher Länge, in einer Höhe von genau 571,97 Meter ü. NN. © Anja Köhler
Heute arbeitet die Wetterwarte Süd mit Wetter- und Klimadaten aus der ganzen Region. Seine Mitarbeiter*innen liefern rund um die Uhr die Daten, die unser Klima ausmachen und mit denen Roth arbeiten kann. Er schaut sich Wetterkarten an, die von Satelliten aufgenommen wurden und vergleicht normalerweise gleichzeitig die Wetterdaten aus dem internationalen ­Flugverkehr, mit Schwerpunkt Atlantik. „Normalerweise“, denn in Coronazeiten wird weniger geflogen. „Und jetzt fehlen mir diese Wettermodelle“, sagt Roth. Also müssen er und sein zehnköpfiges Vorhersageteam auf Wissen und langjährige Erfahrungen zurückgreifen und anhand von vier bis fünf Wettermodellen die richtigen Infos für die Region herausfiltern. Endergebnis ist eine Wettervorhersage für die nächsten Tage, abrufbar über die Website der Wetterwarte Süd. An sechs Tagen die Woche verschickt Roth diese Wettervorhersage an die regionale Tageszeitung, pünktlich um 18.45 Uhr, inklusive aktualisierter Wetterkarte.
Anhand von Satelliten- und Wetterkarten sowie Wettermodellen macht sich Roth ein Bild vom Wetter der nächsten Tage. © Anja Köhler

Seit mittlerweile 52 Jahren sagt Role Roth das Wetter vorher. Nicht schlecht für jemanden, der gar nicht Wetterkunde studiert hat, sondern Geographie, Theologie und Philosophie. Wobei die Beschäftigung mit Geographie und Philosophie ihm vielleicht einen frühen Blick über den Tellerrand ermöglicht hat: den Blick auf den Klimawandel – weltweit und im Schussenbecken. „1982 habe ich den ersten Vortrag zum Thema Klimawandel gehalten. Seitdem ist in der Politik so gut wie nichts passiert! Ich wünsche mir beim Klimaschutz eine ähnliche Entschlossenheit wie beim Kampf gegen die Corona-Pandemie.“ Und dann legt der Rote Role los: „Fakt ist: Der Klimawandel ist da! Der ist weitestgehend auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Dazu gehören klimarelevante Spurengase wie Kohlendioxid, FCKW und Methan, aber auch die Abholzung tropischer Regenwälder, die rasant wachsende Erdbevölkerung und in zunehmendem Maße auch die Globalisierung der Weltwirtschaft.“

Dann nennt er einige der Wetterextreme, die in Oberschwaben, im Allgäu, auf der Alb und am Bodensee in dieser Form früher nicht möglich waren. „Heute ist es in Ravensburg 1,5 Grad wärmer als vor 40 Jahren. In Oberstaufen sind es fast 2 Grad. Das alles hat gravierende Folgen: wie die Hitzesommer mit Rekordtemperatuern, aber auch Schnee im September oder schwere Frostschäden im späteren Frühjahr, wie 2017. Heftigere Stürme und Gewitterfronten, Hagelschlag, ausgeprägte Trockenzeiten und Regenperioden mit Überschwemmungen. Jedes politische Handeln also muss den Klimawandel im Fokus haben – und das gilt auch für unsere Heimat, die einfach schön ist und auch bleiben soll.“

Gut zu wissen

  • Die Wetterwarte Süd bezieht ihre Daten aus 84 Wetter- und 115 Niederschlagsstationen, die von mehr als 250 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen an ihren Wetterstationen in der Region verwaltet werden.
  • Die kompletteste Einheit zur Messung der Wetterdaten ist die sogenannte „Davis-Wetterstation“. Sie zeichnet Niederschlag, Temperatur, Wind, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit auf.
  • Ein „Thermohygrograph“ misst Temperatur und Feuchtigkeit. Jede/r Interessierte kann sich im Garten eine eigene Wetterstation in Form einer einfachen Wetterhütte einrichten – und vielleicht Mitarbeiter*in der Wetterwarte Süd werden. Infos und den täglichen Wetterbericht gibt‘s auf: wetterwarte-sued.com
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Making of #meinschussental Roland Roth – Leiter der Wetterwarte Süd © Don Ailinger

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