Modern und komplex: die Energieversorgung der Eissporthalle in Ravensburg

Kälte und Wärme – Energie für die Zukunft

vom 19. Nov 2024
Autor: Stefan Blank
Fotos: Don Ailinger, Stefan Blank
© Don Ailinger
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Die Eissporthalle Ravensburg ist seit ihrer Eröffnung im Dezember 2003 ein Anziehungspunkt für Besucher*innen aus der ganzen Region. Diese wollen das heimische Eishockeyteam, die Towerstars, beim Gewinnen bejubeln, bei Publikumsläufen hoffentlich locker und lässig über das Eis schweben oder andere Eissportarten trainieren. Auch in Zeiten knapper und teurer Energien gilt die CHG-Arena als ein zentraler sozialer und sportlicher Treffpunkt und die Towerstars nennen sich recht unbescheiden „Der Stolz Oberschwabens“. Der Energieverbrauch der Halle und deren Erzeugung spielen seit etlichen Jahren eine große Rolle und werden oft – nicht nur politisch – hinterfragt. Wir haben uns angeschaut, wo die Energie herkommt, wo und wie sie verbraucht wird und was das Schussental davon hat.

Thorsten Wenning hat den „coolsten Job in Oberschwaben“, wie der SWR in einer Reportage im August 2023 schrieb. Denn jeden Juli bereiten der Eismeister und sein Team die Eissporthalle für die kommende Saison vor. Das Eis wird Schicht für Schicht aufgebaut, hier ist reichlich Geduld und Qualitätssicherung gefragt. Denn „der Untergrund der Eisfläche besteht aus einem Betonboden, der auf minus sieben Grad gekühlt wird. Darauf sprühen wir schichtweise Wasser und tragen so Millimeter für Millimeter eine Eisschicht auf. Das machen wir gut drei Wochen lang, fünf bis sechs Mal am Tag“. Und dann, nach ein paar Probedurchgängen, ob das Eis taugt, kann die Saison beginnen – meist am zweiten Montag im August. Bis 30. April geht die aktive Zeit.

Die Eismaschine „WM Mammoth“ kommt währenddessen im Spiel- und Publikumsbetrieb täglich von 7 bis 23.30 Uhr bis zu 18 Mal zum Einsatz. Die mächtige Maschine ist vollelektrisch, seit dieser Saison in Betrieb und fährt mit 100 Prozent Ökostrom der TWS. Sie hobelt das abgefahrene Eis ab, nimmt den Schneeabrieb mit, trägt eine neue Wasserschicht auf und hinterlässt die Fläche wieder spiegelglatt. Der Schneeabrieb wird nach jeder Runde gesammelt und dann als Kühlmittel für die Kältetechnik, welche die unterirdischen Rohre mit Kühlmittel versorgt, genutzt. Ab Ende April wird das Eis Schicht für Schicht wieder abgebaut. Das Team räumt auf, putzt und irgendwann können Eismeister Wenning und sein Team ein paar Wochen Urlaub machen.

Thorsten Wenning ist stolz darauf, als Eismeister den „coolsten Job in Oberschwaben“ zu haben. Aber für ihn ist das mehr als ein Job: Hervorragendes Eis ist seine Mission. © Don Ailinger

Wer verstehen will, wie die vollelektrische Eismaschine „WM Mammoth“ funktioniert, muss ganz nah hingehen. Dasselbe gilt für die Kompressoren im Untergrund – das Herzstück der Kühlanlage. © Don Ailinger

Im Jahr 2003 zog der komplette Ravensburger Eislaufbetrieb vom St. Christina-Hang hinunter an die Eywiesenstraße. Und im Gegensatz zum früheren Open-Air-Betrieb kann Wenning hier in der Halle so gut wie alles regeln. Er kann dank ausgeklügelter Technik verhindern, dass Nebel entsteht und die Temperatur „angenehme“ 15 Grad beträgt – auch wenn’s draußen über 30 Grad sind. Die Gebäudeleitzentrale ist sein zweites Zuhause, wenn er nicht auf dem Eis unterwegs ist. Und täglich schaut er beim hauseigenen Blockheizkraftwerk (BHKW) nach dem Rechten. Denn hier kommt sie her, die Energie fürs Eisstadion. Seit Juli 2014 brummt der erdgasbetriebene MAN-Motor mit Bosch-Technik, erzeugt dank hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme und beheizt ganz nebenbei auch die Nachbarschaft – aber dazu später mehr.

Geplant und umgesetzt wurden das Gesamtkonzept sowie die Nahwärmeversorgung im Auftrag der damaligen Stadtwerke Ravensburg durch die TWS und ihre Partner. Die TWS stand und steht dabei als Entwicklungspartner und als Komplettdienstleister zur Verfügung. „Das Projekt verbindet hohe Energieeffizienz mit einem tollen Service für die Nutzer“, sagte der TWS-Geschäftsführer Dr. Andreas Thiel-Böhm bei der Einweihung. Effizienz wird hier großgeschrieben, so Lutz Hintze, Projektleiter TWS-Wärmeservice: „Nahezu 100 Prozent des im BHKW erzeugten Stroms werden vom Eisstadion verbraucht. Falls mehr anfällt, speisen wir ins Stromnetz ein.“ 

Lutz Hintze von der TWS begleitet das Projekt seit den ersten Ideen und Plänen. Zum Gesamtkonzept gehört auch der gewaltige Pufferspeicher. 50.000 Liter Wasser sorgen hier dafür, dass die Wärme nicht verloren geht und bei Bedarf eingespeist werden kann. © Don Ailinger

Rund 850.000 Euro investierten die damaligen Stadtwerke Ravensburg 2014 in das BHKW und die Nahwärmeleitungen. Ein Betrag, der sich heute, zehn Jahre später, längst amortisiert hat. Genauso wie die Investition in den neun Meter hohen Pufferspeicher, der im Juli 2015 hinter der Halle aufgestellt wurde. Er fasst 50.000 Liter Wasser und komplettierte das Nahwärmenetz im Areal rund um die Eissporthalle. „Innovative Speicherlösungen sind die Zukunft – und ein wichtiger Bestandteil der Energiewende“, so Hintze. Im Pufferspeicher wird das erwärmte Wasser zwischengespeichert und zur Verwendung durch die Wärmeverbraucher vorgehalten. Zusätzlich steigt der Wirkungsgrad des Versorgungssystems noch weiter und damit dessen Wirtschaftlichkeit: Denn das Wasser in dem neuen Behälter speichert Energie eben in Form von Wärme. Durch den Puffer werden die Betriebszeiten des BHKWs optimiert und die gespeicherte Energie in Spitzenverbrauchszeiten wieder in das Nahwärmenetz eingespeist. Womit wir in der Nachbarschaft angekommen wären.

„Innovative Speicherlösungen sind die Zukunft – und ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.“

Lutz Hintze
Projektleiter TWS-Wärmeservice

Zuverlässige Wärme aus unterirdisch verlegten Rohren

Ein paar Meter weiter an der Eywiesenstraße befindet sich seit 1912 das Autohaus Wald. Früher standen hier Hunderte von Lkw, heute teilen sich Wohnmobile, Verbrenner und Ecars das Areal. Und natürlich im Gebäude des Autohauses die 40 Angestellten, die im Winter nicht frieren wollen und auch nicht müssen. Denn das Autohaus ist seit Juli 2014 an das Nahwärmenetz des Eisstadions angeschlossen. „60 Prozent unseres Energiebedarfs können wir im Winter mit der Wärme aus der Nachbarschaft abdecken“, sagt Uli Wald. Seit 2007 leitet er gemeinsam mit seiner Schwester Karin das traditionsreiche Unternehmen und freut sich darüber, dass er für diese 60 Prozent „nichts machen muss“. Denn die Wärme komme von selbst und zuverlässig aus den unterirdisch verlegten Rohren, die zur Eishalle führen. Den restlichen Bedarf deckt er über einen eigenen Spitzenlastkessel ab. „Ist doch klasse, wenn im Eisstadion Wärme übrig bleibt und zu uns kommt. Eine sehr ökologisch und ökonomische Lösung, bei der wir damals gleich zugesagt haben.“ Die Preise seien in Ordnung, die Betriebsführung leiste die TWS und Wald sieht das Konzept der Nahwärme durchaus als Lösung für die Zukunft. „Damit tun wir mit einem zukunftsweisenden Energiekonzept gemeinsam etwas Gutes für Ravensburg und das Schussental, handeln nachhaltig und sind energetisch für die Zukunft gerüstet.“

„Ist doch klasse, wenn im Eisstadion Wärme übrig bleibt und zu uns kommt.“

Uli Wald
Geschäftsführer Autohaus Wald

Die nachhaltige Denke rund ums Eisstadion hörte aber mit dem Nahwärmenetz nicht auf: Im Sommer 2018 wurde die gesamte Hallenbeleuchtung auf LED umgestellt und ging pünktlich zur Saison 2018/19 in Betrieb. Die LED-Leuchten sorgen heute für eine bis zu 50 Prozent höhere Beleuchtungsstärke in der Halle. Damit nicht genug: Im Trainingsbetrieb und beim Publikumslauf können die Lampen stark gedimmt werden, sodass in den Betriebskosten für die Beleuchtung jährliche Einsparungen von bis zu 16.000 Euro anfallen.
Uli Wald vom gleichnamigen Autohaus sieht in der Nahwärme ein gutes und nachhaltiges Konzept mit Zukunft. Und seit 2014
kann er sich darauf verlassen, dass in seinem Unternehmen niemand frieren muss. Das kann gern so weitergehen. © Don Ailinger

Die Verantwortlichen sind sich heute sicher, dass das Eisstadion mit modernen Technologien und niedrigem Energieverbrauch langfristig und wirtschaftlich betrieben werden kann. Dank energieeffizienter Kälteanlagen und Wärmerückgewinnungssystemen soll der ökologische Fußabdruck verringert und gleichzeitig die Betriebskosten in Grenzen gehalten werden. Eismeister Wennings Arbeitsplatz ist also gesichert und die Besucher*innen wird’s freuen.

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