Veränderungen verstehen und neue Wohnformen planen

Wohnen neu gedacht. Wie wollen wir leben?

vom 18. Juli 2025
Autor: Meike Winter
Fotos: Don Ailinger, Anja Köhler, AKERU, Fiona Eichler
© Don Ailinger
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Wir stehen vor steigenden Baukosten, Wohnraummangel hier und Leerstand dort, wachsendem Flächenverbrauch und einem Gebäudesektor, der zu viel CO₂ verursacht. Angesichts von Klimakrise und demografischem Wandel ist klar, dass sich unsere Art zu wohnen grundlegend verändern muss. Die gute Nachricht: Nachhaltiges Bauen, neue Wohnkonzepte und der kluge Umgang mit Ressourcen können den Weg in eine lebenswerte Zukunft möglich machen.

Wohnen ist mehr als ein Grundbedürfnis – es prägt das Bild unserer Städte und Dörfer, unser Zusammenleben und auch unseren ökologischen Fußabdruck. Das klassische Wohnmodell, wie wir es über Jahrzehnte kannten, gerät zunehmend an seine Grenzen. Zeit also, um das Wohnen der Zukunft neu zu denken und zu verstehen, wie wir ökologischer, flexibler und sozial ausgewogener leben können.

MANGEL TRIFFT LEERSTAND

Während in wachsenden Städten und Ballungsräumen Wohnraum knapp und teuer ist, stehen in einigen strukturschwachen Regionen Hunderttausende Wohnungen leer. Die aktuellsten Angaben dazu stammen aus dem Zensus 2022: Demnach sind deutschlandweit rund 1,9 Millionen Wohnungen ungenutzt – das sind 4,5 Prozent des gesamten Wohnungsbestands. Das Problem ist die Lage der freien Wohnungen in strukturschwachen Regionen, denn wo es keine Arbeit und keine Infrastruktur gibt, will niemand leben. Gebaut wird dagegen in den Ballungsräumen und in immer weiterem Umkreis rund um bestehende Städte. Diese Bauten verursachen meist einen großen ökologischen Fußabdruck, denn die Herstellung von Zement, Stahl und Dämmstoffen ist energieintensiv und CO₂-reich. Der Gebäudesektor ist laut Umweltbundesamt für rund 35 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich – nicht nur durch den Energieverbrauch beim Heizen, sondern vor allem auch durch die Emissionen, die bereits beim Bau entstehen. Außerdem wächst der Flächenverbrauch weiterhin: Täglich werden in Deutschland rund 55 Hektar Land neu versiegelt – das entspricht etwa 78 Fußballfeldern, so das Statistische Bundesamt. Dabei ist Raum begrenzt, die Biodiversität gefährdet und die Klimaanpassung durch versiegelte Böden erschwert.

VERÄNDERTE BAUWEISEN UND NEUE GRUNDRISSE

Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral sein. Damit ist der Abschied von fossilen Brennstoffen beschlossene Sache: Die Zukunft gehört regenerativen Energieträgern, deren Nutzung klimaneutral ist. Der Gebäudebestand soll saniert und Neubauten besonders energieeffizient errichtet werden. Zirkuläres Bauen – also der Einsatz wiederverwendbarer Materialien – sowie modulare Bauweisen und der Rückgriff auf nachwachsende Rohstoffe wie Holz bieten Perspektiven für eine ressourcenschonende Baukultur. Auch Umnutzung, Aufstockung oder Anbauten statt Abriss werden wichtiger, um die sogenannte „graue Energie“, die für den Bau eines Gebäudes aufgewendet werden muss, nicht zu verschwenden. Und doch: Es geht nicht nur um innovative Technik für den bisherigen Standard, sondern um ein grundsätzlich neues Verständnis von Wohnraum. Denn kleinere, effizient genutzte Wohnungen, flexible Grundrisse und gemeinschaftlich genutzte Räume können sowohl ökologische als auch soziale Vorteile bringen.

INDIVIDUELL WOHNEN UND GENERATIONEN VERBINDEN

Neben der ökologischen Komponente rücken soziale Fragen vermehrt ins Bewusstsein: Wie können Wohnmodelle aussehen, die generationsübergreifendes Leben ermöglichen? Wie schaffen wir Raum für bezahlbares Wohnen trotz steigender Baukosten? Welche Anreize braucht es, um Leerstand zu reaktivieren und gleichzeitig attraktive ländliche Wohnorte zu erhalten? Wohnen neu zu denken bedeutet, viele Aspekte zusammenzuführen – von Klimaschutz und Ressourceneffizienz über Stadtentwicklung bis hin zu sozialer Teilhabe. Die gute Nachricht: Es gibt neue Ideen und Leuchtturmprojekte in unserer Region, die Antworten liefern und Alternativen aufzeigen.

„Alle unter einem Dach“ – das ist das Motto der Senioren-WG. Niemand vereinsamt hier allein in einer großen Immobilie. Gemeinschaft wird gelebt, Ressourcen werden geteilt – das gilt auch für den Strom vom eigenen Dach. © Don Ailinger

QUARTIER VERJÜNGERT NEU BELEBT

In der Ravensburger Galgenhalde hat der Bau- und Sparverein (BSV) Ravensburg gerade ein umfassendes Bauprojekt abgeschlossen und 103 neue Wohnungen fertiggestellt: Das neue Quartier bietet Lebensqualität für Menschen jedes Alters. BSV- Vorstand Lothar Reger: „Die Pädagogische Hochschule Weingarten hat uns dabei unterstützt, die Galgenhalde genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei kam heraus, dass hier 27,7 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre alt waren, während sonst in Ravensburg 19,5 Prozent in dieser Altersklasse leben.

Es drohte also die Überalterung und das wollten wir dringend ändern.“ Die Idee: In der neuen Galgenhalde sollen Menschen die Möglichkeit haben, ihr gesamtes Leben hindurch die geeignete Wohnform nutzen zu können. Als Single im Studium oder in der Ausbildung, als Paar, als junge Familie oder später in einer Senioren-Wohnung mit Betreuung durch die Sozialstation oder auch im Pflegeheim. Im Mai wurde das Quartier offiziell eröffnet: Rund 40 Millionen Euro investierte der BSV in fünf Neubauten. Zahlreiche Altbauten im Quartier wurden saniert und durch den Einbau von Aufzügen barrierefrei zugänglich gemacht.

MIETERSTROM FÜR NEUBAUTEN IN DER GALGENHALDE

Strom vom Hausdach selbst nutzen – das ist zwar für Eigenheimbesitzer:innen leicht umsetzbar, für Mieter:innen allerdings nicht. In der Galgenhalde entschied sich der BSV deshalb dafür, auch den Bewohner:innen der Neubauten die Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen und holte die TWS für ein Mieterstrom-Modell ins Boot. Die TWS installierte die PV-Anlage auf dem Dach und sorgt jetzt dafür, dass der Sonnenstrom verlässlich auf die Mieter:innen verteilt wird, sodass alle profitieren. „Der twsÖkostrom Direkt ist ein Rundum-Sorglos-Paket – wir kümmern uns um den Betrieb, die Wartung und auch die Abrechnung. Über eine Echtzeitvisualisierung sehen die Bewohner:innen jederzeit, wie viel Strom gerade vom Dach kommt und können ihre Energienutzung entsprechend planen“, erklärt Marc Schwarz, Account-Manager Energielösungen der TWS.

„Der Mieterstrom ist für die Mieter:innen ein Rundum-Sorglos-Paket: Die TWS kümmert sich um alles – der Kostenvorteil bleibt bei den Nutzer:innen.“

Marc Schwarz
TWS-Account-Manager Energielösungen

Was ist Mieterstrom und wie funktioniert er?

Mieterstrom ist selbst erzeugter Ökostrom – zum Beispiel durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach –, der direkt an die Mieter:innen eines Hauses geliefert wird. So profitieren nicht nur Eigentümer:innen, sondern auch Mieter:innen von umweltfreundlichem und günstigem Strom. Ein intelligentes Messsystem verteilt den erzeugten Strom zuverlässig auf die Wohnungen. Wenn einmal nicht genug Sonnenstrom vorhanden ist, wird der restliche Bedarf durch zusätzlichen Ökostrom aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Mieterstrom-Modelle sind damit ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.

  1. Photovoltaik-Anlage
  2. Intelligentes Messsystem

  3. Autom. Abrechnung je Mieteinheit

  4.  Hausanschluss

Kompakt, möbliert, durchdacht: Die Mikroappartements im Quartier Lumper Höhe bieten modernen Wohnraum für Azubis, Studierende oder Pendler:innen – genau dort, wo er dringend gebraucht wird.© Don Ailinger

MIKROAPPARTEMENTS FÜR JEDE LEBENSLAGE

Ravensburg hat immer mehr Bedarf an temporärem Wohnraum für Auszubildende, Studierende, Fachkräfte oder Berufspendler. Fehlen flexible und möblierte Wohnangebote, haben Unternehmen in der Region unter Umständen Schwierigkeiten, dringend benötigte Fachkräfte für sich zu gewinnen. Mit dem Quartier Lumper Höhe entsteht in Ravensburg ein neues Stadtviertel, das auch auf die wachsende Nachfrage nach Mikroappartements, altersgerechtem Wohnen und gemeinschaftlich genutzten Bereichen zugeschnitten ist. Neben rund 300 Wohnungen gibt es 20 Miniwohneinheiten im neuen Areal. Gebaut wird das neue Quartier von der Reisch Projektentwicklung GmbH & Co. KG mit Sitz in Ravensburg.

DIE TWS MACHT DIE LUMPER HÖHE NACHHALTIG MOBIL

Im Quartier Lumper Höhe zeigen die Stadt Ravensburg und Projektentwickler Reisch in Zusammenarbeit mit der TWS, wie nachhaltige Lösungen für Strom, Mobilität und die Wärmeversorgung in den Quartieren von morgen aussehen können. Um den Verkehr an der Schnittstelle zur Umgebung zu belassen, wurde auf dem Areal eine Tiefgarage gebaut. Zusätzlich gibt es rund 800 Fahrradstellplätze. An der Wangener Straße wurden neue Bushaltestellen gebaut, die das Quartier an den ÖPNV anbinden. Die Tiefgarage ist in weiten Teilen technisch so ausgestattet, dass die Bewohner:innen über die TWS eine Wallbox beziehen und dann komfortabel an ihrem Parkplatz laden können. Außerdem richtet die TWS im Auftrag der Stadt Ravensburg einen E-Carsharing-Platz mit Ladesäule und zwei öffentlichen Ladepunkten im Wohngebiet ein: Mit dem E-Carsharing-Angebot werden auch Bewohner:innen ohne eigenes Auto unkompliziert und nachhaltig mobil. Besucher:innen können die öffentlichen Ladesäulen zum Nachladen nutzen. Ergänzt werden die nachhaltigen Mobilitätslösungen zukünftig durch ein Fahrrad-Verleihangebot – auch das ist neben dem E-Carsharing ein Pluspunkt für die Bewohner:innen.

„Kleine Räume, große Möglichkeiten – Mikroappartements bieten die perfekte Mischung aus Komfort, Flexibilität und urbanem Lifestyle.“

Rebekka Schuhknecht
Vertriebsleiterin Reisch Projektentwicklung GmbH & Co. KG

Laden direkt vor der Haustür: Im Quartier Lumper Höhe sorgen öffentliche Ladepunkte und E-Carsharing für nachhaltige Mobilität – auch ohne eigenes Auto. © Don Ailinger

GRUNDRISS VERKLEINERT – KOMFORT VERBESSERT

Weil die Baukosten steigen, Flächen knapp werden und Wohnungen fehlen, haben „wassung bader architekten“ aus Tettnang sich Gedanken über neues Wohnen gemacht. AKERU.home heißt die modulare Wohneinheit, die dabei herausgekommen ist. Gebaut wird vorgefertigt in nachhaltiger Holzbauweise und auf minimaler Fläche: Durch clevere Möblierung bieten die Module den Komfort einer 60 Quadratmeter Wohnung auf nur 30 Quadratmetern. Die Baukosten sind dabei ebenfalls halbiert. Vorgestellt wurde das Konzept im vergangenen Jahr erstmals auf der Landesgartenschau in Wangen und die Besucher:innen waren beeindruckt und interessiert. Vor allem das wandelbare Möbelkonzept macht die AKERU.homes besonders. Denn mit wenigen Handgriffen oder auch elektrischer Unterstützung wird aus dem Wohnzimmer ein Schlafzimmer, lässt sich die Küche zum Esszimmer erweitern oder ein Gästebett ausklappen – sogar eine ausziehbare Sauna kann auf Wunsch integriert werden. „Die Module können zu Appartementhäusern gestapelt werden – ideal für Studierende oder Mitarbeitende. Mit Satteldach vermitteln sie ein großzügiges Raumgefühl und eignen sich als Tiny Home oder Lodge. Und als Aufstockung bieten sie kompakten, neuen Wohnraum auf bestehenden Gebäuden“, sagt Architekt Jonas Bader. Die Module sind mobil und in drei Größen zwischen 25 und 50 Quadratmetern erhältlich oder nach Bedarf planbar.

„Es ist ein Henne-Ei-Problem: Menschen entscheiden sich für E-Fahrzeuge, wenn es Lademöglichkeiten am Wohnort gibt. Dafür braucht es aber mehr Investoren, die sich für die E-Mobilität begeistern.“

Malte Köhnken
TWS-Account-Manager Energielösungen

EIN HAUS AUS STROH UND LEHM

Klimafreundlich aus nachwachsenden Rohstoffen und ohne Folien oder problematische Dämmstoffe bauen – geht das in unseren Breitengraden überhaupt? „Ja, das geht und ist sogar besonders komfortabel“, meint Architekt Jochen Plass. Er ist Experte für Häuser aus Stroh und Lehm und hat gerade vor, sein bisheriges Stroh-Lehm-Einfamilienhaus gegen ein Mini-Haus zu tauschen. „Nachdem sich meine persönliche Situation geändert hat, habe ich mir Zeit genommen, um noch einmal über meine Vorstellung vom Wohnen nachzudenken. Ich wünsche mir mein eigenes Haus mit kleinem Grundriss und das sollte zum Beispiel auf dem Grundstück neben einem Bauernhof stehen“, erzählt er. So wie Plass denken viele Menschen, die zwar in den eigenen vier Wänden, aber nicht ganz allein leben möchten. Der Architekt plant deshalb individuelle Grundrisse und fertigt die Stroh-Lehm-Elemente modular in einer Halle vor: Zwischen Holzrahmenelemente werden gepresste Baustrohballen gesetzt und anschließend innen und außen mit Lehm verputzt. Plass: „Stroh liefert eine optimale und naturbelassene Dämmung, ist regional verfügbar und verursacht so kaum Transportemissionen. Lehm kennen wir bei uns vor allem aus den vielen Ziegelgruben, die es früher in der Region gab. Das Material kann entweder klassisch zu Ziegeln gebrannt oder – klimafreundlicher – einfach aufgebracht und an der Luft getrocknet werden.“ Lehmputz sorgt außerdem automatisch für einen Feuchtigkeitsausgleich, auf Dampfsperren oder Abdichtungen kann bewusst verzichtet werden. Die Idee vom Tiny House gefällt Jochen Plass: „Allerdings sind bei uns die Vorschriften eng und bewegliche Tiny Houses lassen sich kaum in die Tat umsetzen. Trotzdem kann man mit einem kleinen Stroh-Lehm-Haus in ein nachhaltiges und minimalistisches Leben ohne Ballast starten.“

„Mit Holz, Stroh und Lehm haben schon unsere Vorfahren gebaut und die Vorteile
zu schätzen gewusst.“

Jochen Plass
Dipl. Ing. Architekt

SOLAR-SELBSTVERSORGER DANK KOMPLETTANLAGE

Mit dem twsÖkoenergiehaus lassen sich innovative Wohnkonzepte mit autarker Energie versorgen: Die TWS plant dafür die individuelle Komplettanlage und kümmert sich um den Betrieb inklusive Wartung und Service, Reparaturen oder Versicherung der Anlage. „Damit im twsÖkoenergiehaus Sonnenstrom optimal genutzt wird, lohnt sich die Kombination verschiedener Bausteine: twsEnergiedach, twsEnergiespeicher, twsLadebox und twsWärmepumpe machen die Sonnenenergie für warmes Wasser, zum Heizen und für die E-Mobilität nutzbar“, erklärt TWS-Projektleiter Fabian Schäfer. Durch das Pachtmodell ist zum Start in die Solar-Selbstversorgung keine Investition nötig. Der monatliche Abschlag macht die Kosten für die Anlage planbar, die Laufzeit des Vertrags ist auf 18 Jahre kalkuliert. Danach können die Eigenheimbesitzer:innen die Anlage übernehmen und den Sonnenstrom weiterhin nutzen.

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