Podiumsdiskussion der TWS zur Energiewende

„Tempo ist alles“

vom 9. Mai 2023
Autor: Brigitte Schäfer
Fotos: TWS
© TWS
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Podiumsdiskussion der TWS zur Energiewende – Zukunftsgestaltung findet vor Ort statt – Zeitdruck ist groß

Im Aufbruch: So lautet der Titel der Podiumsdiskussion, zu der die Technische Werke Schussental GmbH & Co. KG (TWS) am 16. Mai geladen hatten: Mehr als 100 Gäste aus der Region Ravensburg und Weingarten waren der Einladung ins Hoftheater Baienfurt gefolgt; aus der Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bildung. Schließlich ging es um die Energiewende, ihren Status quo und Wege zu ihrem weiteren Gelingen. Auf dem Podium diskutierten vier regionale Akteure mit Gerald Babel-Sutter, Chef und Mitbegründer der Urban Future Conference, Europas wichtigster Veranstaltung für die Entwicklung nachhaltiger Städte. Die Experten aus der Region waren: Maike Hauser vom BUND Ravensburg, der Ravensburger Bürgermeister Dirk Bastin, Weingartens Oberbürgermeister Clemens Moll und TWS-Geschäftsführer Dr. Andreas Thiel-Böhm. Moderiert hat Tobias Koch, Umweltjournalist des SWR, bekannt aus der Sendung „Die Ökochecker“.

Im Fokus der Diskussion stand die Frage: „Schaffen wir es in Deutschland, die Energiekrise solidarisch zu bewältigen, den Klimawandel abzubremsen und eine neue Realität zu gestalten – oder fahren wir sehenden Auges gegen die Wand?“ Einigkeit herrschte bereits zu Beginn darüber, dass der Klimawandel real ist und wir etwas dagegen tun können; auch dass wir schnell unabhängiger werden müssen von Importen fossiler Energieträger. Die Energiewende sei einer der wichtigsten Bausteine dafür, meinten die Vertreterin und Vertreter auf dem Podium unisono. Die Krux an der Sache: Wir hinken in Deutschland unseren Zielen hinterher und jetzt müsse es schnell gehen, um die Misere noch abwenden zu können.

„Schaffen wir es in Deutschland, die Energiekrise solidarisch zu bewältigen, den Klimawandel abzubremsen und eine neue Realität zu gestalten – oder fahren wir sehenden Auges gegen die Wand?“ 

Umgesetzt wird Politik auf regionaler Ebene

Andreas Thiel-Böhm beklagte, dass die Bundespolitik zwar Beschlüsse gefasst, deren Umsetzung jedoch nicht mit Nachdruck verfolgt habe. Daraus resultiere nun der große Zeitdruck – verschärft durch die politischen Verwerfungen mit Russland und deren Auswirkungen. Maike Hauser und Dirk Bastin bestätigten dies. Maike Hauser sagte: „Wir hätten schon vor 30 Jahren loslegen können und sollen.“ Und Dirk Bastin meinte auch: „Tempo ist alles.“ Der Ravensburger Bürgermeister betonte jedoch auch, dass Städte viel in Eigenregie auf den Weg bringen können und nicht auf Vorgaben aus Berlin warten müssen. Dazu zählen seiner Meinung nach vor allem die Gestaltung der öffentlichen Mobilität sowie die Energieversorgung von Gebäuden und ganz wichtig: die Bewusstseinsbildung in der Einwohnerschaft.

In all diesen Feldern ist man im Schussental bereits vergleichsweise weit, wie auch entsprechende Auszeichnungen belegen. So wird derzeit beispielsweise in der Ravensburger Innenstadt mit großer Geschwindigkeit ein Fernwärmenetz ausgebaut. Die TWS erzeugt bereits mehr eigenen Strom aus erneuerbaren Energien, als ihre Haushaltskunden brauchen. Und auch das innovative Mobilitätskonzept der TWS im Schussental ist zukunftsweisend und zieht immer weitere Kreise. Mit gutem Beispiel voran gehen die Kommunen Weingarten und Ravensburg auch in der Zusammenarbeit mit ihrem örtlichen Versorger, der TWS. Aktuell erarbeiten die drei Partner gemeinsam das Konzept für die gesetzlich vorgeschriebene Kommunale Wärmeplanung. 

Die Photovoltaikanlagen auf Gebäudedächern und in unseren Solarparks erzeugen Strom aus dem Licht der Sonne – ganz ohne Treibhausgase, klimaneutral und nachhaltig. © TWS

Es braucht mehr Geld und Akzeptanz

Eine gute Zusammenarbeit von Kommunen und regionalen Energieunternehmen sei entscheidend für das Vorwärtskommen, unterstrich Clemens Moll und ergänzte: „Die aktuelle Situation ist für Kommunen sehr herausfordernd, vor allem finanziell und personell. Es gibt außer der Energiewende derzeit einfach noch etliche andere Brennpunktthemen, die wir zu bewältigen haben.“ Sein Fazit: „Wir brauchen Zeit und mehr Geld.“
Auch Andreas Thiel-Böhm verweist auf den hohen Investitionsbedarf und fordert zudem mehr Flächen. Das sei Voraussetzung, um Wind- und Solarparks im erforderlichen Maße bauen zu können. Inständig hofft man bei der TWS, dass man bald ein paar Windenergieanlagen und Solarparks in der Region realisieren kann. Die Gesellschafter verzichten bereits auf einen Teil des Gewinns, der stattdessen reinvestiert wird in den Ausbau der erneuerbaren Energien. Zudem will das Unternehmen gegen Ende des Jahres weitere Genussrechte ausgeben; das bedeutet, dass sich Bürgerinnen und Bürger durch Kapital an der Energiewende direkt beteiligen können.

„Zuerst müssen wir die Leute dahin bringen, dass sie Veränderungen zulassen – und dann müssen sie erleben, dass sie dadurch an Lebensqualität gewinnen. Das überzeugt.“  

Gerald Babel-Sutter – Chef und Mitbegründer der Urban Future Conference

Verhalten optimistisch äußert sich Maike Hauser zur aktuellen Entwicklung: Sie begrüßt, dass der BUND für Belange des Naturschutzes früher und konsequenter in die Planungen einbezogen werde und Biodiversität mehr Berücksichtigung fände. Gerald Babel-Sutter berichtet aus Erfahrung, dass die Gestaltung nachhaltigerer Strukturen auch große Veränderungen in städtischen Verwaltungen erfordere: „Es kommt darauf an, die richtigen Leute in den richtigen Teams zu haben. Man braucht heute mehr Gestalter und weniger Verwalter. Diese Veränderung ist fundamental und mancherorts eine noch fast unlösbare Aufgabe.“ Dem kommunikativen Part von Veränderungen komme eine große Bedeutung zu, damit sie akzeptiert würden, betonte er und fügte an: „Zuerst müssen wir die Leute dahin bringen, dass sie Veränderungen zulassen – und dann müssen sie erleben, dass sie dadurch an Lebensqualität gewinnen. Das überzeugt.“ Die Wortwahl sei in diesem Zusammenhang wichtig; es dürfe zum Beispiel nicht heißen „autofreie Innenstadt“, sondern besser „grüne oder liebenswerte Innenstadt“, weil Verbote immer spalten würden.

Einig waren sich die Diskutierenden auf dem Podium auch, dass Energiesparen ein sehr wichtiger und wirksamer Hebel dafür ist, um unsere Welt nachhaltig ein bisschen besser zu machen. „Es braucht spielerische Anreize und eine Art Wettbewerb, damit die Menschen ihren Energieverbrauch gern dauerhaft reduzieren“, berichtet Gerald Babel-Sutter; New York zum Beispiel hätte damit gute Erfahrungen gemacht. „Auch Vorleben hilft“, sagt Dirk Bastin. In Ravensburg bleiben seit der Energiekrise nachts die Straßenleuchten aus und Kulturdenkmäler dunkel. „Das behalten wir bei“, informierte er.
Andreas Thiel-Böhm ist auch überzeugt davon, dass der Umbau des Energiesystems und Verhaltensänderungen einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten werden und zu sozial verträglichen Energiepreisen. „Erneuerbare Energien sind am Ende preiswerter als Atomkraft“, sagt er.

„Wir haben schon echt viel geschafft. Jetzt müssen wir eben die Ärmel hochkrempeln und einen Zacken zulegen, anstatt weiter herumzudiskutieren. Dann klappt das. Wir befinden uns im Aufbruch.“  

Dr. Andreas Thiel-Böhm – Geschäftsführer TWS

Beschlüsse müssen mutiger werden

Wenn man Veränderungen wolle, müsse man Widerstand aushalten, sagt Dirk Bastin und ergänzte: „Beschlüsse müssen mutiger werden.“ Clemens Moll nannte als aktuelles Beispiel in der Region den Umbau der Mobilität: „In der Region gibt es viele Pendler. Der Individualverkehr dominiert. Um das zu ändern, muss der ÖPNV komfortabler werden und es braucht mehr Radwege. Erst dann können wir Parken in den Innenstädten teurer und sukzessive knapper machen.“ Der Umstieg auf E und ÖPNV werde auch attraktiver durch eine gute Stromladeinfrastruktur an Bahnhöfen und Zusteigemöglichkeiten an Stadträndern. In diesem Zusammenhang sei es eine Grundvoraussetzung für Akzeptanz von Veränderungen, dass man mit dem Landkreis zusammenarbeite und die ganze Region betrachte.

Gemeinsam werden wir die Wende schaffen

Insgesamt blicken die Akteure zuversichtlich in die Zukunft: Andreas Thiel-Böhm ist davon überzeugt, dass die Energiewende gelingt, vielleicht etwas später als angepeilt, aber immerhin. „Wir haben schon echt viel geschafft“, sagte er und ergänzte: „Jetzt müssen wir eben die Ärmel hochkrempeln und einen Zacken zulegen, anstatt weiter herumzudiskutieren. Dann klappt das. Wir befinden uns im Aufbruch.“

Gerald Babel-Sutter stimmte ihm zu: „Ich habe jeden Tag mit Leuten zu tun, die anpacken. Das ist ansteckend und zieht andere mit.“ Auch Clemens Moll sieht die Entwicklung positiv: „Ich kenne so viele Menschen, die sich inzwischen für Klima- und Naturschutz einsetzen. Und es werden immer mehr. Der Trend ist unumkehrbar.“ Maike Hauser bestätigte ihn: „Es wird in der Tat besser. Wir haben mehr Mitspracherecht und Naturverträglichkeit spielt inzwischen bei allen Projekten eine größere Rolle als noch vor wenigen Jahren.“ Dirk Bastin sieht in der zunehmenden Zusammenarbeit aller Akteure den Schlüssel für das Gelingen: „Bei uns im technischen Rathaus und bei der TWS erlebe ich so viele junge Leute, die etwas bewegen wollen und dürfen. Mit diesem Geist schaffen wir das auch.“

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