Richtungsweisend: „Bühlhäusle Quartier“ im Schmalegger Neubaugebiet Ortsmitte III

Ohne Visionen geht‘s nicht

vom 12. Jul 2024
Autor: Stefan Blank
Fotos: Don Ailinger
© Don Ailinger
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Das Schmalegger Neubaugebiet „Ortsmitte III“ ist ein zukunftsträchtiges Projekt. Denn die Stadt Ravensburg hat es sich hier zum Ziel gesetzt, ein gänzlich klimaneutrales Wohngebiet zu erstellen. Partner ist die TWS. Die sorgt dafür, dass Wärme und Energie zuverlässig verfügbar sind – ohne die Umwelt zu belasten. Richtungweisend ist dabei die Wärmeversorgung. Denn diese wird mit der sogenannten „kalten Nahwärme“ erbracht. Die ersten Häuser stehen bereits. Auch das „Öko.See.Dorf“ ist mit im Boot. Das genossenschaftliche Wohnprojekt baut auf ca. 3.000 Quadratmeter drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 30 Wohnungen unterschiedlicher Größe für Singles, Paare,
Familien und Wohngemeinschaften – nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien.

Schon 2021 hat die Stadt Ravensburg in Richtung Klimaneutralität gedacht, wie es im Bebauungsplan „Ortsmitte Schmalegg III, Teil II A – Begründung“ auf S. 33 steht – als Stellungnahme zur Klimaneutralität seitens der Stadt Ravensburg: „Die Stadt beabsichtigt mit dieser Festsetzung allerdings nicht die Förderung von Öl- und Gasheizungen. Eine Erweiterung des bestehenden Gasnetzes soll nach Möglichkeit vermieden werden. Stattdessen ist beispielsweise eine zentrale Bereitstellung von Energie und Wärme wie beispielsweise ein Niedertemperaturnetz zur Versorgung des Gebiets angedacht, um dem Klimakonsens der Stadt gerecht zu werden.“ Eine äußerst effiziente Wärmebereitstellung, kombiniert mit hohen energetischen Neubaustandards, soll in Schmalegg für eine bilanziell CO2-freie Energieversorgung des gesamten Quartiers sorgen.

Als Partner stand die TWS bereit und konnte mit dem Konzept der „kalten Nahwärme“ überzeugen. Erfolgreich erprobt wurde das Konzept 2022 von der Tochtergesellschaft der TWS, der iQ-Gesellschaft für integrierte Quartierslösungen mbH. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Projekte energetisch hocheffizient und klimaschonend zu entwickeln und umzusetzen. Im Verbund mit der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) entstand im Baugebiet „Am Bergle“ in Unterankenreute das erste klimaneutrale Quartier in Deutschland. Heute werden hier rund 200 Menschen in 86 Wohneinheiten CO2-frei mit Wärme versorgt.

Teile des Teams des genossenschaftlichen Wohnprojekt „Öko.See.Dorf“ begutachten regelmäßig den Baufortschritt in Schmalegg und sind immer für ein Gespräch zu haben.© Don Ailinger

Das Baugebiet „Ortsmitte Schmalegg III“ liegt mit seinen rund 3,9 Hektar Fläche am nordwestlichen Ortsrand von Schmalegg. Hier entsteht gerade das erste klimaneutrale Baugebiet im Stadtgebiet von Ravensburg. © Architekturbüro um.raum

Temperaturpotenziale nutzen

Bei der kalten Nahwärme wird mittels Erdwärmesonden Wärme aus dem Erdreich entzogen. Praktisch heißt das: „Wir haben insgesamt 44 Erdwärmesonden mit jeweils einer Tiefe von 170 Meter im Regenauffangbecken des Neubaugebiets niedergebracht. Diese Fläche wird also jetzt doppelt genutzt“, erklärt Johannes Assfalk, der zuständige Projektleiter bei der TWS. „Die Sonden haben wir bereits alle über Rohrleitungen an die Stelle geführt, wo im Herbst das Technikhaus gebaut werden soll. Dann schließen wir alle Erdwärmesonden an das Technikhaus und einen großen Verteiler an. Der Verteiler wird auf der anderen Seite mit dem kalten Nahwärmenetz verbunden, welches wiederum mit allen Ein- und Mehrfamilienhäusern durch einen Hausanschluss verbunden wird.“

Die im kalten Nahwärmenetz zirkulierende

Wärmeträgerflüssigkeit wird dann durch Wärmepumpen, die jeweils in den Häusern installiert werden, angezogen. Anschließend entziehen die Wärmepumpen der Flüssigkeit die Wärme aus dem Erdreich. Jetzt können die Hausbewohner*innen das entstandene Temperaturpotenzial für die Raumwärme und die Brauchwasserbereitung entnehmen.

Innovatives Heiz- und Kühlsystem mit vielen Vorteilen

„Diese Art der Wärmebereitstellung erfordert zwar erhöhte Investitionskosten“, so Assfalk, aber sie zeichne sich durch einen sehr hohen Wirkungsgrad aus und führe langfristig zu einer günstigen Wärmeversorgung. Nach zehn Jahren endet die vertragliche Wärmelieferung der TWS, und die Eigenheimbesitzer*innen können die Wärmepumpen zum Restwert übernehmen.

Die Stromversorgung für die Haushalte und die Wärmepumpen erfolgt zu großen Teilen über auf den Dächern installierte Photovoltaik-Anlagen. „In den heizintensiven Wintermonaten muss zu einem Teil Netzstrom bezogen werden, aber hierfür sorgen wir von der TWS mit 100 Prozent Ökostrom.“ Somit verfügen sie über eine günstige Wärmeversorgung, welche wenig von internationalen Energiemärkten abhängig ist, geringeren Preisschwankungen unterliegt und eine nachhaltige Energieversorgung darstellt. Zudem hätten die Hausbewohner*innen längst die Potenziale der Photovoltaik erkannt und nutzen vermehrt die gesamten Dachflächen aus. „Somit sind die Eigenheimbesitzer*innen zukünftig beispielsweise auch für die Elektromobilität gerüstet.“

Johannes Assfalk ist der zuständige Projektleiter bei der TWS für die kalte Nahwärme im Schmalegger Neubaugebiet und überzeugt vom Konzept. © Don Ailinger

„Wir wollen hier ein Bauwerk
für die Zukunft  erstellen.“

Hans-Peter Erb von Öko.See.Dorf

Nachhaltig bauen für die Zukunft

Gerüstet zeigt sich die Projektgruppe der Öko.See.Dorf eG hier mit dem „Bühlhäusle Quartier“. Am 17. Mai 2024 war Spatenstich für das genossenschaftliche Wohnprojekt mitten im Schmalegger Neubaugebiet. Seitdem geht es stetig voran. Ende 2025 soll alles bezugsfertig sein. Auf 3.000 Quadratmetern Fläche entstehen drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 30 Wohnungen unterschiedlicher Größe für Singles, Paare, Familien und Wohngemeinschaften. Gebaut wird nach ökologischen und nachhaltigen Kriterien, und das „Bühlhäusle Quartier“ soll als Leuchtturmprojekt für zukunftsweisende Wohnformen umgesetzt werden. „Wir wollen hier für die Zukunft ein Bauwerk erstellen, wo unsere Nachkommen auch nach 30 Jahren noch sagen können: Das habt ihr gut gemacht“, erklärt Hans-Peter Erb vom Öko.See.Dorf. Die Genossenschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, Wohnprojekte für Menschen zu entwickeln, die miteinander eine Kultur des gemeinschaftlichen Lebens und der Selbstbestimmung verwirklichen möchten. Dabei sollen Familien, Paare, Wohngemeinschaften und Einzelne verschiedener Generationen und Kulturen zukunftsfähige Wohn-, Arbeits- und Lebensformen erproben. Gleichzeitig vernetzen sich dank des bürgerschaftlichen Engagements die Bewohner*innen der Hausprojekte im Quartier auf sozialer, ökologischer, gewerblicher und kultureller Ebene miteinander.

Die Idee hat die 2020 gegründete Öko.See.Dorf eG bereits im Sonnenhof in Neuravensburg umgesetzt, Schmalegg ist das nächste Projekt. Stichworte sind „ressourcenschonende Bebauung“, „integriertes Carsharing“ und „ausbalanciertes Verhältnis von Wohn-, Gemeinschafts- und Gewerbeanteilen“. Im „Bühlhäusle Quartier“ bedeutet das, dass neben 1.700 Quadratmeter Wohn- auch 400 Quadratmeter Gemeinschaftsfläche für Begegnungsstätten, Food Coop, Werkstätten, Lager und Gästezimmer entstehen. Dabei sieht es das Öko.See.Dorf als Chance, Verantwortung für die Schaffung einer wertschöpfenden gesellschaftlichen und ökologischen Lebenskultur zu übernehmen, die jetzt beginnt und für nachfolgende Generationen weiterwirkt. Für Erb ist klar: „Ohne Visionen geht’s nicht.“

Visionen, die von der Geschäftsführung der TWS durchaus geteilt werden: Sie ist seit 2023 Genossin in der Öko.See.Dorf eG. Dr. Andreas Thiel-Böhm, Geschäftsführer der TWS, erklärt: „Wir haben bei allem, was wir tun, immer die Zukunft und vor allem die kommenden Generationen im Blick. Da passt das Öko.See.Dorf mit seinen Ideen ganz hervorragend hinein.“

Hans-Peter Erb, Solveig Fuchs, Torsten Schneider und Irmhild Ramm sind überzeugte Genossenschaftler*innen und sehen in ihrem Konzept die Zukunft des Zusammenlebens. © Don Ailinger

Mitgestalter*innen & Bewohner*innen gesucht:

Das Projekt Öko.See.Dorf sucht für ihre Hausprojekte noch Mitgestalter*innen & Bewohner*innen. Alle Infos auf: oekoseedorf.net

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