Das KBZO in Weingarten

„Lust zum sozialen Projekt“

vom 14. Mrz 2021
Autor: Stefan Blank
Fotos: Anja Köhler
© Anja Köhler
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Das Thema Inklusion ist wichtig – in der Welt, in Europa, in Deutschland und im Schussental. Um die Inklusion kümmert sich von staatlicher Seite im Landkreis Ravensburg das Sozial- und Inklusionsamt. Gleichzeitig gibt es hier Inklusionsunternehmen mit unterschiedlicher Trägerschaft und Zielsetzung. Eines davon ist die Service & Dienste gGmbH der Stiftung KBZO in Weingarten. Eine Annäherung in fünf Leitsätzen.

„Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazugehört. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Jeder kann mitmachen. (…) Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.“ Ein eindeutiger Satz aus dem Selbstverständnis der „Aktion Mensch“, die als größte private Förderorganisation in Deutschland soziale Projekte für Menschen mit und ohne Behinderung unterstützt. Solche Projekte gibt es auch im Schussental – ein paar Beispiele aus der Stiftung KBZO.

Die Stiftung KBZO (Körperbehinderten-Zentrum Oberschwaben) ist seit 1988 eine private Stiftung bürgerlichen Rechts. Der Grundstein für die Stiftung wurde 1968 mit der Gründung des gemeinnützigen Vereins „Hilfe für das körperbehinderte Kind e. V.“ gelegt – mit einem ersten Kindergarten sowie einer Schule in Weingarten. Heute ist das KBZO eine der größten Einrichtungen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderungen in Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland.

 „In unserem Bewusstsein hat jeder Mensch ein Recht auf Entwicklung seiner individuellen Fähigkeiten in sozialen Bezügen. Dieser Grundgedanke der Inklusion ist das Fundament unserer Arbeit.“ 

Aus dem Leitbild der Stiftung KBZO
An ihren Standorten in Oberschwaben betreut, beschult, fördert, pflegt und begleitet die Stiftung KBZO mit mehr als 900 Mitarbeiter*innen über 1.500 Menschen mit Behinderung. Nicht zu vergessen die zahlreichen Helfer*innen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), im Bundesfreiwilligendienst (BFD), im Praktikum oder im Ehrenamt. Die Tätigkeitsfelder umfassen ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Internat und unterschiedlichsten Schularten in Weingarten, Biberach, Sigmaringen und Friedrichshafen sowie Schulkindergärten. Dazu kommen Wohnangebote für erwachsene Menschen mit Behinderungen – von Wohnheimen und Ambulant Betreutem Wohnen bis hin zu Angeboten der Kurzzeitpflege. Mit dem Inklusionsunternehmen KBZO Service und Dienste gGmbH und mit der Beteiligung an den Integrations-Werkstätten Oberschwaben (IWO gGmbH) bietet das KBZO vielfältige Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die gemeinsam mit Kooperationspartnern verwirklicht werden. Hinter all den Projekten und Aufgaben, die die Stiftung KBZO an- und betreibt, steht ein Ziel: Behinderte Menschen sollen gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen leben, arbeiten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Ein Ziel, das auch von politischer Seite Anerkennung erhält. So sagte Agnieszka Brugger, die für den Wahlkreis Ravensburg im Deutschen Bundestag sitzt und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen angehört, bei einem Besuch im November 2019: „Hier wird Inklusion mit Leben und Lachen gefüllt.“
Spätestens alle sechs Monate werden die E-Bikes der TWS in der KBZO Service und Dienste gGmbH durchgecheckt und landen häufig bei Thomas Müller. © Anja Köhler

 „Identität macht unverwechselbar. Sie entsteht bei der Übernahme und Verwirklichung von Zielen und Werten.“ 

Aus dem Leitbild der Stiftung KBZO

„Die Menschen der Region und sogar manchmal der eine oder die andere Mitarbeiter*in sind überrascht, was wir so alles machen“, sagt Clemens Riedesser. Er ist Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung KBZO, hat sich intensiv mit den Zielen und Werten seines Hauses auseinandergesetzt. Diese wurden in ein Leitbild gegossen, das von einer Arbeitsgruppe regelmäßig überprüft und überarbeitet wird. Aber Riedesser weiß auch, dass „das Leitbild der Stiftung KBZO lebt. Genauso wie die Personen, die Menschen in unserem Unternehmen, die im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen.“

 „Unternehmerisches Handeln ist auch im sozialen Bereich wichtig. 

Aus dem Leitbild der Stiftung KBZO

Zu diesen vielen Menschen gehören von der unternehmerischen Seite her beispielsweise Florian Mathäy und Bernhard Tyborski. Einer der oben genannten 1.500 Menschen mit Behinderung ist Thomas Müller, ein leidenschaftlicher Fahrradschrauber. Alle können einiges erzählen.

Florian Mathäy ist Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Zentrale Dienste der Stiftung KBZO und Geschäftsführer der KBZO Service Dienste gGmbH. Er ist sich sicher, dass die Ideen für soziale Projekte nie ausgehen werden. © Anja Köhler
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„In erster Linie ist es in der Service und Dienste gGmbH unser Ziel, als Inklusionsunternehmen Menschen an den Arbeitsmarkt zu vermitteln“, sagt Florian Mathäy. Er ist seit 1. September 2020 Geschäftsführer der KBZO Service und Dienste gGmbH und Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Zentrale Dienste der Stiftung KBZO. Dabei müsse er aber natürlich betriebswirtschaftliche Kriterien erfüllen, was die Finanzierung der zahlreichen Projekte mit externen Partnern angeht. Diese können in der Werkstatt ihre Produkte von Menschen mit Behinderungen fertigen lassen. „Ein gutes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit sind Sanohra-Ohrstöpsel, die unser Partner Innosan millionenfach und weltweit verkauft.“ Mathäy spricht über Deckungsbeiträge und über Kostenorientierung. Ohne stimmige Finanzen gehe es halt nicht, „aber wir sind nicht gewinnorientiert.“ Vielmehr gehe es darum, Partner mit Lust zum sozialen Projekt zusammenzubringen und mit diesen in einer passenden Kooperation zusammenzuarbeiten. „So können wir gemeinsam etwas verändern – und dafür sind wir gut aufgestellt.“

 „Führung dient dem Erreichen gemeinsamer Ziele. Die Wirkung von Führung ist ganzheitlich. Daher tragen alle Beteiligten eine besondere Verantwortung.“ 

Aus dem Leitbild der Stiftung KBZO
Die Lust zum sozialen Projekt lässt sich gut erzählen anhand der Service und Dienste gGmbH: Hier arbeiten gut 40 bis 50 Prozent Mitarbeiter*innen mit Einschränkungen gemeinsam mit anderen Menschen. Einer der Projektpartner ist seit September 2020 die TWS. Sie baut ein Elektrorad-Verleihsystem auf, und die mehr als 100 E-Bikes an 16 Verleihstationen müssen gewartet und gepflegt werden und verkehrssicher bereitstehen. Dafür sorgt das Team der KBZO-Fahrradwerkstatt: Hier werden alle sechs Monate alle sicherheitsrelevanten Teile gecheckt, Reparaturen fachgerecht ausgeführt und platte Reifen sofort geflickt. Die drei Beschäftigten der Fahrradwerkstatt wurden mit Unterstützung externer Partner vom Fach für die Wartung der E-Bikes extra ausgebildet.
Bernhard Tyborski ist Bereichsleiter der Service und Dienste gGmbH und damit verantwortlich für die Werkstatt. Er weiß, dass er sich jederzeit auf sein gut ausgebildetes Team verlassen kann. © Anja Köhler
Die Fahrradwerkstatt bietet ihren Service schon seit mehreren Jahren an. „Wir warten beispielsweise Betriebsfahrräder, montieren Bikes für Händler vor und machen sie verkaufsfertig“, sagt Bernhard Tyborski, Bereichsleiter der Service und Dienste gGmbH. Die Anfrage der TWS fiel bei ihm schnell auf fruchtbaren Boden: „Jede Anfrage freut uns. Unsere zukünftigen Partner müssen zuverlässig sein, die Kalkulation muss stimmen und vor allem die Zusammenarbeit reibungslos funktionieren. Dann haben wir eine Win-win-Situation.“ Tyborskis Kalkulation beruht auf der individuellen Betrachtung seiner beeinträchtigten Mitarbeiter*innen: „Über die Förderleistung der zuständigen Ämter wird die Minderleistung der Mitarbeiter*innen mit Beeinträchtigung finanziert, den Rest kalkulieren wir zu marktüblichen Preisen.“ So entsteht ein Preis für eine Leistung, die, so Tyborski, „auskömmlich finanziert“ sein muss.

„Fahrradschrauber aus Leidenschaft“ 

Thomas Müller
Müller hat seine Ausbildung in der Werkstatt der KBZO Service und Dienste gGmbH gemacht und auch schon mal in einer Autowerkstatt geschraubt. Da kann ihn in Sachen Fahrrad groß nichts mehr beeindrucken.
Einer der Menschen mit Beeinträchtigung und ein leidenschaftlicher Fahrradschrauber ist Thomas Müller. Hochkonzentriert geht er bei den E-Bikes der TWS an die Wartungsarbeiten. Er hat auch schon an hochpreisigen Mountainbikes der Firma Giant geschraubt und dabei entdeckt, dass Mountainbikes sein Ding sind. Hier fühlt er sich besonders wohl, wenn er die Bikes komplett und fahrtüchtig für die Händler vormontieren kann – bis hin zum Preisschild. Die E-Bikes der TWS kennt er in- und auswendig, die Arbeitsabläufe beim Check sind festgelegt, Rückfragen gibt es wenige. Auch wenn es darum geht, für die Halterung der neuen Schlösser erst abzumessen und dann Löcher an der richtigen Stelle zu bohren – hier geht‘s um Zentimeter – bringt Müller kaum etwas aus der Ruhe. Einzig als etliche E-Bikes der TWS Vandalen zum Opfer fielen, das tat ihm schon in der Seele weh.

 „Arbeit in der Stiftung KBZO ist ein ausgewogenes und vielfältiges Geben und Nehmen in vorgegebenen Rahmenbedingungen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.“ 

Aus dem Leitbild der Stiftung KBZO
Ganz oben auf der Wunschliste für die Stiftung KBZO sowie die Service und Dienste gGmbH steht die Zusammenarbeit mit einer Autowerkstatt und die passenden Räumlichkeiten dazu. Aber das werde demnächst klappen, so Geschäftsführer Florian Mathäy. „Die Ideen in Sachen ‚Lust zum sozialen Projekt’ gehen uns sicher nicht aus.“

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