Auf einen Spaziergang mit Andreas Thiel-Böhm

„Da geht noch was“

vom 13. Jul 2021
Autor: Stefan Blank
Fotos: Anja Köhler
© Anja Köhler
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Andreas Thiel-Böhm erforschte die Explosionsgrenzen methanhaltiger Brenngasgemische und leitet seit 2001 die Technischen Werke Schussental. Die Fusion der Stadtwerke Ravensburg und Weingarten trägt seine Handschrift. Das Engagement des Westfalen prägt bis heute das Bild der TWS als ökologisch orientiertem und gleichzeitig regional verwurzeltem Unternehmen. Ein Spaziergang mit dem Dr.-Ing., der schon immer irgendwie schwäbisch war.
Treffpunkt ist ein kleiner Parkplatz bei Köpfingen, der Aussicht wegen: Baienfurt, Weingarten und Ravensburg liegen uns zu Füßen, die Basilika grüßt herüber und der Blick reicht weit nach Oberschwaben hinein. Die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor, im wahrsten Sinne gute Aussichten für einen Spaziergang. Andreas Thiel-Böhm kommt pünktlich mit einem grünen E-Bike. Der radelnde Geschäftsführer der TWS ist in Ravensburg ein vertrauter Anblick und steht für die ökologische Orientierung des Unternehmens.

„Wir sind ein ökologisch orientiertes und regional verwurzeltes Unternehmen, das sich seit 2001 um die Versorgung der Bürger in der Region mit Strom, Gas, Wasser und Wärme kümmert. Entstanden sind wir aus einer Fusion der Stadtwerke Ravensburg und Weingarten“, heißt es auf der Website der TWS. Das klingt gut und ist richtig. Aber über die Schwierigkeiten, die diese Fusion mit sich brachte, sagt die Website nichts. „Ich fand die Aufgabe interessant“, erzählt Thiel-Böhm. „Denn ich habe in Paderborn erlebt, wie es nicht laufen sollte.“ Hier hatte sich Ende der 1990er-Jahre der Strom- und Gasriese E.ON kurzerhand Thiel-Böhms Arbeitgeber, die Stadtwerke Paderborn, einverleibt. Durch Übernahmen und Fusionen entstand schließlich zum 1. Oktober 2003 das Unternehmen E.ON Westfalen Weser AG. Das Angebot, in dem neu geschaffenen Unternehmen tätig zu sein, kam für ihn nicht infrage. So suchte Thiel-Böhm nach einer neuen Herausforderung, die er weit von Paderborn entfernt, in Süddeutschland, im Schussental fand. „So ein bisschen schwäbisch war ich schon immer. Ich bin recht pingelig und gebe nicht gerne Geld aus.“ Also bewarb er sich für die Aufgabe, zwei Stadtwerke zusammenzubringen – ohne Verluste an Menschen und Wissen. „Und dann wurde ich eingeladen und dachte: Gehst mal hin, schaust dir das an. Wenn’s schiefgeht, spricht sich das nicht bis Paderborn rum.“

Doch schon der erste Besuch hinterließ einen bleibenden Eindruck: „Das Schus-sental zeigte sich Ende September von seiner schönsten Seite. Es hat einfach alles gepasst.“ Thiel-Böhm lacht: „Die Entscheider mussten sich anschließend schon mal fragen lassen, ob sie denn für die Aufgabe keinen Oberschwaben gefunden hätten.“ Aber bis zum Image der TWS als ökologischem Anbieter war es für den streitbaren Westfalen noch ein weiter Weg.

„Ab da war zunächst Basisarbeit gefragt“, sagt er. Wir schrieben das Jahr 2000/2001. Neue Ideen mussten her, zwei Stadtwerke als Teile von Stadtverwaltungen mussten fusioniert und modernisiert werden. Da ging es um grundlegende Themen wie Arbeitsschutz, um Sozialräume und um den Neubau eines TWS-Gebäudes auf den Mauern von Koksöfen aus dem Jahr 1862. Und sämtliche Ideen, Vorschläge, Wünsche, Visionen mussten durch die Gemeinderäte. Thiel-Böhm blieb beharrlich auf seiner Linie und entwickelte mit seinem Team die Vision eines zu 100 Prozent ökologischen Versorgers.

Seine Beharrlichkeit hatte er bereits zu Studienzeiten unter anderem in der Interessenvertretung der wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Universität Paderborn unter Beweis gestellt. Hier promovierte der Maschinenbauer zum Thema Methan. Titel seiner Dissertation: „Explosionsgrenzen methanhaltiger Brenngasgemische“. Er forschte, veröffentlichte und wurde irgendwann der „oberste Techniker“ der Stadtwerke Paderborn.

„Wir müssen wirklich allen Menschen klarmachen: Wenn wir etwas bewirken wollen, dann geht es nur gemeinsam. Wir müssen an die Allgemeinheit denken, nicht nur an uns selbst. Wir sind alle mit unseren Entscheidungen Teil der Energiewende. Nur so gelingt Klimaschutz.“ 

Dr. Andreas Thiel-Böhm
Geschäftsführer der TWS
Heute forscht und veröffentlicht er nicht mehr, aber so mancher Vortrag ist noch drin. Er liest im Kulturgut Ittenbeuren auch gerne mal aus seinen Lieblingsbüchern, äußert sich zum Thema Zivilcourage in den öffentlichen Verkehrsmitteln und geht samstags, wie es sich für Ravenburger*innen gehört, auf den Wochenmarkt. „Allerdings sind wir immer sehr früh unterwegs. Für einen Kaffee reicht es noch meist, aber ich freue mich schon darauf, mittags beim Kochen die Woche ausklingen zu lassen“, berichtet der leidenschaftliche Hobbykoch. Die drei Kinder sind lange aus dem Haus, also kann er sich ab Sonntag wieder Gedanken um die Energiewende machen.

„Das, was wir bei der TWS erreicht haben, ist gut. Aber da geht noch was.“ Gerade ist sein Vertrag um sechs Jahre verlängert worden, „bis zum Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen“. Für Thiel-Böhm ist sein Leben eine runde Sache: „20 Jahre Ostwestfalen, 20 Jahre Paderborn, 20 Jahre hier, das passt. Mittlerweile ist das Schussental zu einem Stück Heimat geworden.“

Langweilig wird es ihm nicht. Gerade im Bezug auf die Energiewende verfolgt er noch große Ziele. „Ich will in Oberschwaben noch mehr Windräder sehen.“ Denn sich an Windanlagen im Ozean oder sonstwo zu beteiligen und von dort den Ökostrom zu beziehen, das sei nur ein Teil der Energiewende. „Vor Ort müssen wir noch einiges erreichen.“ Man müsse nur in den Norden schauen, da gehe einem bei der Anzahl der Windräder das Herz auf. „Allein im Landkreis Paderborn stehen 500 Windkraftanlagen, die gibt es eben nicht nur an der Küste. Hier im Süden arbeiten wir schon acht Jahre an einem Genehmigungsverfahren für einen Windpark.“

Das Thema sei komplex. Es geht um Schutzräume, Schattenwürfe, um Bebauungen, um Befindlichkeiten und beispielsweise mit dem Rotmilan um Artenschutz. Die Bevölkerung müsse mit ins Boot. „Wir müssen wirklich allen Menschen klarmachen: Wenn wir etwas bewirken wollen, dann geht es nur gemeinsam. Wir müssen an die Allgemeinheit denken, nicht nur an uns selbst. Wir sind alle mit unseren Entscheidungen Teil der Energiewende. Nur so gelingt Klimaschutz.“

Wir sind wieder am Parkplatz angekommen. Andreas Thiel-Böhm schließt sein E-Bike auf, setzt den Helm auf und flitzt Richtung Weingarten davon. Es gibt viel zu tun.

Making of #meinschussental Andreas Thiel Böhm – Geschäftsführer der TWS © Don Ailinger

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