Im Fokus: kommunaler Wärmeplan, Wärmenetze, Wärmepumpen und geothermie

Schlüsselenergien der Wärmewende.

vom 18. Dez. 2023
Autor: Stefan Blank
Fotos: Don Ailinger, iStock
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Diesen Winter werden wir wohl nicht frieren müssen. Die deutschen Gasspeicher sind gut gefüllt, das Öl fließt und der Strom kommt nach wie vor zuverlässig aus der Steckdose. Der Blick in die gar nicht so ferne Zukunft allerdings zeigt, dass sich rund um das Thema Energie einiges ändern muss und wird. Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral sein und bis dahin gibt es viel zu tun.

Das beschäftigt uns. Uns als Menschen, die wir in warmen Wohnungen leben möchten und so wenig wie möglich auf den gewohnten Komfort verzichten wollen. Und uns als Versorgungsunternehmen, das die Wärmewende mitgestalten soll. Da geht es um Wärmenetze und Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke (BHKW), Biomasse und Geothermie. Etliche Konzepte klingen vielversprechend – aber was steckt wirklich dahinter, was ist machbar?

Wie also könnte sie aussehen, die Wärmeenergie der Zukunft? Oder: Wie bekommen wir alle in den nächsten Jahren unsere Wohnungen warm? Wir wagen einen Ausblick für das Schussental.

Der kommunale Wärmeplan

Die Wärmewende soll bei uns mithilfe von zwei Gesetzen schneller und besser gelingen: dem für die kommunale Wärmeplanung (WPG)
und dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG), die beide am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Beide Gesetze gehen Hand in Hand: Der kommunale Wärmeplan gibt Orientierung auf Quartiersebene, das GEG bestimmt die generellen Rahmenbedingungen auf Gebäudeebene. Im Fokus des GEG steht der technologieoffene Umstieg auf erneuerbare Wärme – mit langen Übergangsfristen für Bestandsbauten. So müssen ab 1. Januar 2024 lediglich Neubauten in Neubaugebieten ihre Wärmeversorgung zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Für alle übrigen Gebäude, Bestandsbauten und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gilt, dass die Verpflichtungen nach dem GEG erst greifen, wenn ein kommunaler Wärmeplan vorliegt. Ravensburg und Weingarten haben der TWS die Projektleitung für die Wärmeplanung nach dem Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg übertragen. „Denn wir als Energieversorger verfügen über die erforderliche Energieinfrastruktur, sehr viele Daten und reichlich Wissen“, sagt Miriam Sepke-Vogt.

Sie ist seit 2021 Projektmanagerin Wärme- und Energieversorgung bei der TWS und hat den Überblick.

Dabei beschränke sich die kommunale Wärmeplanung nicht nur auf eine klimaneutrale Versorgung, sondern auch darauf, den Wärmebedarf von Gebäuden drastisch zu senken, informiert Sepke-Vogt. Beides will gut überlegt, geplant, finanziert und umgesetzt werden. Gleichzeitig appelliert sie an alle Haushalte: „Wir bestimmen mit unseren Entscheidungen heute, wie die Welt 2040 aussieht. Wenn wir das Ziel in 17 Jahren erreicht haben wollen, müssen wir jetzt beginnen, alle Weichen in diese Richtung zu stellen. Jede Gas- oder Ölheizung, die jetzt noch eingebaut wird, steht dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 entgegen.“

Im Detail könnte das dann so aussehen: „In der Wärmeversorgung wird es bis 2040 Quartiere mit Wärmenetzen und Einzelheizungsgebiete geben. Dabei spielt die Geothermie in den Wärmenetzen eine große Rolle – neben Großwärmepumpen, BHKWs und Biomasse. In den Einzelheizungsgebieten kommen überwiegend Wärmepumpen zum Einsatz.“ Gut 60 bis 70 Prozent der Bestandsgebäude ließen sich auf Wärmepumpen umrüsten. Daneben stehen Pelletheizungen, Hybridsysteme und Stromdirektheizung zur Wahl. „Diese drei Aspekte, also die Klimaneutralität 2040, die richtige Entscheidung für die richtige Technologie sowie die Bildung von quartiersbezogenen Vorranggebieten für Wärmenetze und Einzelheizung in den Quartieren, all das bringt der kommunale Wärmeplan zusammen.“

Eine wichtige Rolle für das Gelingen dieses unverzichtbaren Vorhabens spielen vor allem Wärmenetze, für deren Betrieb auch Abwärme aus Industriebetrieben, Abwasser und Rechenzentren genutzt werden soll. „Hier haben wir die Weichen längst in die richtige Richtung gestellt“, so Sepke-Vogt. „In Ravensburg bauen wir gerade ein Fernwärmenetz auf, das die Wärmeversorgung in der Altstadt klimafreundlich leistet.“ Die Fernwärme in der Ravensburger Innenstadt erspart der Umwelt mindestens 86 Prozent der aktuellen CO2-Emissionen. Mit Abschluss der jetzigen Ausbauabschnitte wären das immerhin 4.400 Tonnen CO2 pro Jahr.

 

Wärme und Strom

Wird es denn genug Strom für all die Wärmepumpen geben? Im Zielbild für 2040 kommt der Strom in Baden-Württemberg zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Gleichzeitig werden Energiespeichertechnologien und intelligente Stromnetze weiterentwickelt und dazu beitragen, die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit erneuerbarer Energien weiter zu steigern.

Eine Schlüsseltechnologie könnte eine Speichertechnologie sein, die gewonnene Elektrizität in Form des Energieträgers Wasserstoff zwischenspeichert und diesen zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückverstromt. „So könnten wir in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen saisonale Schwankungen bei der Lieferung erneuerbarer Energien ausgleichen und dem Auseinanderlaufen von Angebot und Nachfrage entgegenwirken“, so Sepke-Vogt.

Doch grüner Wasserstoff als Energieträger ist knapp und teuer, weil er mit hohem Energieeinsatz aus grünem Strom hergestellt wird. „Deshalb sollte er unserer Meinung nach zunächst nur dort eingesetzt werden, wo er lokal für Hochtemperatur-Prozesswärme oder stofflich gebraucht wird, wie in Industrieunternehmen, später auch zur effizienten Erzeugung von Fernwärme und Strom in Heizzentralen“, sagt Sepke-Vogt. Hier ist die konkrete Idee, eine eigene, zwölf Kilometer lange Wasserstoffhochdruckleitung zu bauen. Als eine Art Rückgrat, Backbone genannt, um die Industrie des Schussentals sicher mit grünem Wasserstoff versorgen zu können. 2032 soll diese Leitung in Betrieb gehen. Das alles kostet Geld. Allein die TWS wird bis 2030 mehr als 200 Millionen Euro in die Energiewende investieren müssen. „Doch der fundamentale Umbau der Gesamtversorgung ist für den Erhalt unserer Lebensqualität unumgänglich.“ Um die Wärmenetze mit ausreichend klimaneutraler Energie zu versorgen, soll ein Teil dieser Investitionen in die Erschließung von Geothermie fließen.

Tiefe Geothermie

Unter der Erdoberfläche wird es wärmer, je tiefer man bohrt. Wie warm, das hängt von den geologischen Gegebenheiten am jeweiligen Standort ab. Unter Ravensburg und Weingarten erstreckt sich das Süddeutsche Molassebecken. Und die Aussichten, hier aus Tiefen von mehr als 400 Metern heißes Wasser fördern zu können, sind gut. Studien werden klären, wie einträglich die Energiequelle aus dem Erdinneren sein wird. Erdwärme ist vor allem deshalb so interessant, weil sie rund um die Uhr zuverlässig in gleicher Menge zur Verfügung steht.

Tiefengeothermieanlagen benötigen im Vergleich zu anderen Energieerzeugungstechnologien wenig Landfläche und die Auswirkungen auf die Umwelt sind gering – insbesondere im Vergleich zu fossilen Brennstoffen. Sind die aufwendigen Bohrungen erstmal erfolgt, funktioniert das System der sogenannten hydrothermalen Geothermie recht einfach: Das warme Wasser aus den unterirdischen Gesteinsschichten wird an die Oberfläche gepumpt. Anschließend wird die darin enthaltene Wärme über einen Wärmetauscher an einen zweiten Kreislauf übertragen und das abgekühlte Wasser wieder in die Tiefe geleitet. Besonders geeignet ist das System für zentrale Wärmeversorgungen, also beispielsweise für die Fernwärmeversorgung in Ravensburg oder weitere Wärmenetze, die im Schussental entstehen sollen

Eine Besichtigung des Wasserhochbehälters in Hinzistobel mit Robert Balle entführt Besucher*innen dahin, wo unser Trinkwasser gespeichert wird. © Don Ailinger

 Technologien sind vorhanden

Also alles in allem Ideen und Konzepte, über die nachzudenken sich lohnt. Das Fazit von Miriam Sepke-Vogt: „Es gibt zahlreiche klimaneutrale Lösungen für jedes Gebäude und auch für die Industrie. Wir müssen jetzt konkret mit den Maßnahmen für die Zukunft anfangen, um die Wärmewende zu schaffen. Die Technologien sind heute alle vorhanden und unter den richtigen Rahmenbedingungen auch wirtschaftlich. Sicher fühlt sich alles komplexer an und es sind viele Bausteine notwendig. Wichtig ist, dass alle mitmachen. Denn das Ergebnis ist eine Welt, in der wir ohne Komforteinbußen so leben können, dass wir unseren Kindern und Enkeln auch noch eine hohe Lebensqualität hinterlassen.“

Es gibt auch in Zukunft viele Möglichkeiten, unsere Gebäude zu beheizen. Im eigenen Haus z.B. Wärmepumpe oder Fernwärme. Für die industrielle Nutzung zusätzlich grüner Wasserstoff.

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